October 18, 2010

Te Deum – Die Zisterzienser


Te Deum – Himmel auf Erden: Die Grundpfeiler unserer Kultur

"Das Leben des Mönches ist ein Kriegsdienst, den er Christi leistet."

pt 2) Ordo Cisterciensis – OCist & OCSO – "Zurück zur Demut"
pt 1 & pt 3 & pt 4 & pt 5 & pt 6

Die Bewegung der Zisterzienser entstand im 11. Jh. aus der bewussten Abkehr vom weltlichen Reichtum der Benediktiner und der Rückbesinnung auf die ursprüngliche Mönchsregel des Benedikt von Nursia, die eine schlichte Lebensweise zwischen Arbeit und Gebet vorschreibt.
Im ersten Kreuzzug im Jahre 1099 war Jerusalem zurückerobert worden. Die Kriegsgewinne kamen dem Adel zugute, der zu seiner Legitimation große Summen in die Klöster steckte, welche immer prächtiger wurden.
Im Gegenzug schrieben Mönche Briefe und Urkunden, fungierten als Berater in politischen Fragen und beschäftigten sich zunehmend mit weltlichen Dingen.
Zu jener Zeit verließ der Benediktiner Robert von Molesme, Abt im französischen Burgund, seine Abtei, um mit ein paar Gefährten in der abgelegenen Gegend von Cîteaux ein eigenes Kloster zu gründen.
Sie legten Moorgebiete trocken, rodeten Wälder und machten verwilderte Landstriche urbar. Das Kloster, das sie errichteten, war Zeichen eines radikalen Neubeginns. Dort wollten sie wieder maßvoll und in Demut vor der Schöpfung ein authentisches Christentum leben.

Noch heute umfließt das Wasser einer zehn Kilometer nördlich gelegenen Quelle, das die frühen Zisterzienser im 13. Jh. kanalisierten, die Klostermauern von Cîteaux. Der Legende zufolge wurde das Kloster nach der Zistel, einer Schilfrohrpflanze, benannt. Deren nachgebildete Blätter aus Stein schmücken noch heute die Kapitelle der Säulen in manchen Zisterzienserklöstern. Ein weiteres Überbleibsel der ersten Mönche von Cîteaux ist das weiße Mönchshabit. Das pompöse, pelzverbrämte Habit der Cluniazenser betrachteten sie als Zeichen des Überflusses, und da sie weder Wolle noch Tuch färbten, ergab sich daraus das charakteristische schafsweiße Zisterzienserhabit. Die starke Naturverbundenheit der Zisterzienser war Ausdruck ihrer großen Demut gegenüber der göttlichen Schöpfung. Vor diesem Hintergrund entwickelten sie im Laufe der Zeit auf dem agrartechnischen Sektor einen hohen Erfindungsgeist, und sie wurden zu wahren Meistern der Käserei und des Weinanbaus.
In Clos de Vougeot, ganz in der Nähe des Klosters, stellten die Mönche sogar ihre ersten wissenschaftlichen Versuche an, welche Rebsorten sich auf welchen Böden optimal zum Anbau eigneten, und wie man die Reben im Weingarten am besten schnitt, düngte und verarbeitete.

Doch zu Beginn lebte die kleine Gemeinschaft unter großen Entbehrungen in bitterer Armut. Viele Mönche starben, und es fehlte an Nachwuchs. Der damalige Abt Steven Harding war kurz davor aufzugeben, als eines Nachts dreißig Männer vor der Tür standen und um Einlass baten. An ihrer Spitze Bernhard de Fontaine, ein hoher Adliger aus Burgund, der schon früh beschloss, den Weg des Mönchs einzuschlagen und in Citeaux den rechten Ort für seine Gesinnung sah. Mit der tatkräftigen Hilfe von Bernhard und seinen Gefährten ging es mit der Abtei bergauf.
Bernhard hielt jegliches weltliche Treiben für trügerisch. Er war überzeugt, die Demut vor der Schöpfung könnte man nur durch reine Askese zurückgewinnen.
Dazu gehörte auch die Verweigerung des weiblichen Geschlechts.
[...]
Selbst als angesehenes Oberhaupt der Zisterzienser nächtigte er nur auf Holzpritschen oder gar auf blankem Boden. Auch die Wissenschaft, zu deren Studium ihn seine Familie zunächst zwang, nachdem sie von seinen Klosterplänen erfahren hatte, überzeugte ihn nicht:

"Trau meiner Erfahrung und du wirst in den Wäldern mehr finden als in den Büchern.
Stein und Holz werden dich lehren, was du von den Lehrern nicht zu hören bekommst."

Bereits drei Jahre nachdem Bernhard an die Türe von Cîteaux geklopft hatte, wurde er 1115 ausgeschickt, ein Tochterkloster zu gründen. Er drang mit einer Schar Mönche in einen dichten Wald vor, den sie mühevoll rodeten und schließlich in ein "Lichttal" verwandelten.
Unter eben diesem Namen Claire valle bzw. Clairvaux sollte Bernhard später in die Geschichte eingehen.
Sein Kloster wurde zu einem religiösen Zentrum, das als Mittler zwischen Königen und Fürsten wirkte, die Wahl von Bischöfen und Päpsten beeinflusste und über Glaubenslehren mitbestimmte.

Bernhards Geschichte war zunächst ein einziger Siegeszug. Wo er auftauchte, standen die Menschen Spalier.
Die Glocken läuteten. Das Volk jubelte. Hohe kirchliche Ämter verweigerte Bernhard jedoch.
Er widmete sich stattdessen seinen Vorstellungen der geistigen und religiösen Erneuerung, für die er geistliche Schriften verfasste, die ihm den Beinamen "Doctor mellifluus", honigfließender Lehrer einbrachte.
Bernhard hielt aber Wissen nicht für das allein Seligmachende, da es leicht zum toten Ballast werden kann und dann keine heilbringende Funktion mehr ausübt. Er wusste: "Glühen ist mehr als wissen." Glühen bedeutet dabei, von etwas ergriffen zu werden, berührt zu werden. Dies schaffte Bernhard durch die Askese.
Zudem wollte er eine Kirche des Dienens, nicht die des Herrschens. ("Es gibt kein Eisen und kein Gift, dass ich so sehr fürchte als die Leidenschaft zu herrschen.") Er wollte eine arme, keine reiche Kirche. ("Es ist ein Kreuz aus Holz gewesen, das die Welt erlöste, nicht eines aus Silber.") Nicht Ehrgeiz, sondern Demut. ("Wer durch die Türe eintritt und seinen Kopf erhebt, der stößt an, wer sich beugt, nimmt keinen Schaden.") Nicht Prunk, sondern Reinigung des Tempels. Schließlich: "Petrus ist auch nicht mit Edelstein geziert in Seide und Gold auf weißem Zelte von lärmendem Dienertross umgeben gewesen. Wer dies tut, folgt nicht dem Fischer von Galiläa nach."

Bernhards Predigten waren in jener Zeit, in der kaum jemand schreiben oder lesen konnte, für viele Menschen die einzige Möglichkeit große Ideen zu hören.
Dank seiner Überzeugungskraft und seines Charismas wurde die Begegnung mit ihm und seinen Worten zum Schlüsselerlebnis für den Lebensweg Tausender Gläubiger.

Bernhard war ein begnadeter Kreuzzugsprediger. Gemäß der Benediktregel – "Das Leben des Mönches ist ein Kriegsdienst, den er Christi leistet" – appellierte er gezielt an Adlige, sich seinem Kreuzzug gegen die Sarazenen anzuschließen, welche die Heilige Stadt Jerusalem in ihre Macht gebracht hatten. Dabei verfolgte er das Ziel, die europäischen Königs- und Fürstenhäuser, die sich gegenseitig in dynastischen Kriegen zerfleischten, zum friedlichen Miteinander gegen einen gemeinsamen Feind zu bewegen und den Ritterstand in den Dienst Gottes zu stellen. Bernhard gelang es, eine Massenbewegung auszulösen, die Adel und gemeines Volk ergriff und in den zweiten Kreuzzug (1147-1149) mündete. [...]

Das Kloster von Clairvaux wurde in seiner klaren Schlichtheit zu einem architektonischen Vorbild für viele weitere Klosterbauten. Von Clairvaux ausgehend, entstanden bis 1153, Bernards Todesjahr, an die 300 neue Zisterzienserklöster.
Es lag an seiner gewinnenden Persönlichkeit, seiner Beredsamkeit und der Kraft seiner asketischen Lebensweise, dass Bernhard gegen viele Widerstände sein Reformwerk in diesem Ausmaß verwirklichen konnte.
Die Askese, die den Geist des Ordens prägte, zeigte sich auch in dessen Architektur, einem rationalistischen Monumentalstil, der durchgängig auf Pomp und Prunk verzichtete. Doch trotz aller Schlichtheit verstanden die Zisterzienser etwas von der Rührung der Seele, die vor allem in Anbetracht der gewaltigen Formen ihrer Kirchen spürbar wird. Der Baustil zielt darauf ab, den Kirchenbesucher innerlich aufzuwühlen und ihn in einen Zustand der Erregung zu versetzen, den es durch Anstrengung, Askese und Seelenkraft stets aufs Neue zu erkämpfen gilt. Denn er symbolisiert das Ringen mit dem Teufel, um dann den Frieden Gottes zu finden. Charakteristisch für Zisterzienserkirchen ist der Verzicht auf Glockentürme sowie auf kirchlichen Innenschmuck. Die Glasfenster sind schlicht in Schwarz-Weiß gehalten. Die Zisterzienser führten die romanische Baukunst zum Gipfel ihrer Vollkommenheit und vermochten auch in der neu aufkommenden Gotik ihren Stil weiterzuentwickeln.

Im Jahr 1133 wurde auf Wunsch des Markgrafen von Babenberg in Heiligenkreuz in Niederösterreich ein Kloster nach dem Vorbild von Clairvaux errichtet. In dem romanisch-gotischen Kreuzgang von Heiligenkreuz verweisen Hunderte von Marmorsäulen auf die Bäume des ursprünglichen Walds von Clairvaux.
Heiligenkreuz entwickelte sich zu einem landwirtschaftlichen Modellbetrieb. [...]

Da in allen Predigen Bernhards die Gottesmutter Maria eine wichtige Rolle spielte –

"Solange sie dich an der Hand hält, kannst du nicht fallen. Unter ihrem Schutz hast du nichts zu fürchten. Führt sie dich, ermüdest du nicht. Durch ihre Gunst kommst du sicher ans Ziel"

– ist bis heute die Spiritualität der Zisterzienser stark mit der Marienverehrung verknüpft. Maria wurde zur Patronin jeder Zisterzienserkirche und die meisten Marienfeiertage gehen auf die Zisterzienser zurück.
Das Kloster Marienstatt wurde im Jahr 1198 gegründet und ist ein direktes Nachfolgekloster von Cîteaux. [...] Ursprünglich sollte dem Betrachter durch religiöse Bildmotive das Leiden Christi vor Augen geführt werden und ihn zur emotionalen Teilnahme bewegen. Dazu schienen besonders die Vesperbilder geeignet, bei denen Maria den Leichnam Jesu im Schoße hält und weint.
Erst gegen 1400 veränderte sich der Bedeutungsgehalt der Vesperbilder und wurde zum Gnadenbild Mariens.

In der Blütezeit der Zisterzienser im Hochmittelalter stellten sich hauptsächlich adlige Frauen unter den Schutz der Mutter Gottes. Viele wandten sich dort der christlichen Mystik zu, welche erst durch Bernhard einen ungeahnten Aufschwung im Mönchtum erlebte. Sie gab Bernhard Kraft, die Strenge seines asketischen Lebens zu ertragen. Die Zisterzienserinnen entwickelte daraus eine erstmals weibliche Mystik, die den adligen Frauen eine geistige Flucht vor dem männlich-materiell ausgerichteten Machtdenken bot. Das Zisterzienserkloster Helfta bei Eisleben aus dem Jahr 1248 galt damals wegen seiner gebildeten Ordensfrauen Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hackeborn und Gertrude von Helfta als Krone der deutschen Frauenklöster.
1542 fiel das Kloster Helfta wie viele andere Klöster auch der Reformation und der darauf folgenden Säkularisierung zum Opfer, wurde Preußische Staatsdomäne und später zu DDR-Zeiten "Volkseigenes Gut".
Nach der Wende bat man Schwester Assumpta, die damals bereits 76-jährige Äbtissin des bayerischen Zisterzienserklosters Seligenthal, ob sie nicht mit einigen Mitschwestern in Helfta einziehen könne, um den Geist des Klosters wiederzubeleben. Das ist gelungen. Nach fast 500 Jahren beschäftigt man sich heute wieder in sogenannten Mystikseminaren mit dem überlieferten Gedankengut. Schwester Assumpta steht außerdem einem Hotel, einem Altenstift und einem Kindergarten vor, schreibt Bücher und kümmert sich um die Frauenseelsorge.
Sie ist mit Recht stolz, dass sie hier Fuß gefasst hat: Der Anteil an Katholiken in den neuen Bundesländern beträgt schließlich weniger als drei Prozent.

Heute gibt es weltweit etwa 300 Zisterzienserklöster mit etwa 7000 Mönchen und Nonnen.
In Frankreich, in Citeaux, leben wieder Zisterziensermönche der strengen Observanz, die heute Trappisten heißen, in Abgeschiedenheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit.
In Deutschland haben sich die noch nominell bestehenden protestantisch geführten Zisterzienserklöster zur "Gemeinschaft Evangelischer Zisterzienser Erben" zusammengeschlossen.

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