October 6, 2010

Institutionen geboren aus der Inquisition



Sean Martin 2008: Die Katharer – Ihre Geheimnisse und ihre Geschichte
pt 1 & pt 2


S. 119 ff.) Die Stasi/Staats-/Gewissenspolizei der KKK

Wenn die Inquisition in eine Stadt oder ein Dorf kam, sprachen ihre Mitglieder zunächst mit den örtlichen Geistlichen, um sie über ihr Vorgehen aufzuklären. Dann hielten die Inquisitoren eine Predigt in der Kirche, in der sie von allen Männern über 14 und allen Frauen über 12 ein Glaubensbekenntnis verlangten. Wer dies nicht tat, war automatisch verdächtig und wurde als erstes befragt. Die Gemeinde musste einen Eid gegen die Ketzerei schwören und dreimal pro Jahr zur Beichte gehen. Die Inquisitoren forderten dann die Anwesenden auf, über ihre Taten nachzudenken und für die darauffolgende Woche eine vertrauliche Aussage vorzubereiten, in der sie entweder ihre eigenen Sünden gestehen oder ihre Nachbarn denunzieren konnten.

Katharer, die freiwillig gestanden, wurden in anderen Gebieten angesiedelt, in denen es keine Ketzer gab, und mussten auf ihrer Kleidung zwei aufgenähte Kreuze tragen. Bekannte oder verdächtige Häretiker, die nicht freiwillig innerhalb der ersten Woche gestanden hatten, mussten vor der Inquisition erscheinen. Ketzer waren nach Ansicht der Inquisitoren die Perfecti selbst sowie alle, die ihnen Zuflucht boten, sie verehrten (d.h., das Melioramentum ausführten), Zeuge einer Häretisierung wurden (d.h. eines Consolamentum) und sie nicht denunzierten.
Die Inquisitoren brauchten mindestens zwei Zeugen, um jemanden zu verurteilen. Die Namen von Zeugen wurden jedoch nicht preisgegeben, sodass es den Leuten umso leichter fiel, jemanden anzuzeigen, der ihnen, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu Gesicht stand.

Sobald die Inquisition die Häretiker namentlich kannte, verfolgte sie die Verdächtigen ohne Gnade. Die Inquisitoren waren befugt, ein Haus zu durchsuchen und jedes Gebäude niederzubrennen, in dem sich Ketzer versteckt hatten. Jeder, der ein Altes oder Neues Testament besaß, war verdächtig, und die Kranken und Sterbenden wurden genau beobachtet, für den Fall, dass sie "gottlose und verabscheuungswürdige Dinge" vorhatten (d.h., das Consolamentum zu empfangen).
Das Schicksal einer alten Frau veranschaulicht den Fanatismus, mit dem die Inquisitoren ihrer Arbeit nachgingen. Diese Frau, eine katharische Gläubige, wollte auf ihrem Totenbett das Consolamentum empfangen. Ihre Familie schickte nach einem Perfectus, der ihren Wunsch erfüllte und schnell wieder verschwand, bevor die Inquisitoren davon erfuhren. Doch diese hörten davon und eilten ins Haus der alten Frau, um sie zu verhören. Sie glaubte, sie spreche zu dem katharischen Bischof, Guilhabert von Castres, und beschrieb ihren Glauben in allen Einzelheiten. Das war genug. Obwohl sie nur noch wenige Stunden zu leben hatte, wurde sie in ihrem Bett aus dem Haus getragen und verbrannt.

Trotz ihrer Macht stießen die Inquisitoren auf erbitterten, teilweise auch gewaltsamen Widerstand. In Albi hatten die Assistenten des Inquisitors Arnold Catalan zu große Angst, um den Leichnam einer Frau auszugraben, die nach ihrem Tod der Ketzerei beschuldigt worden war. Aufgebracht ging Arnold selbst auf den Friedhof, begleitet von einigen Männern des Bischofs. Er tat die ersten Spatenstiche und wollte das Graben den Männern des Bischofs überlassen, doch bevor sie sich an die Arbeit machen konnten, fiel eine Menschenmenge über Arnold her und prügelte ihn fast zu Tode. Nur durch das Eingreifen einer bewaffneten Delegation des Bischofs konnten sie daran gehindert werden, den bewusstlosen Inquisitor in den Fluss Tarn zu werfen. Während Arnold in der Sicherheit der Kathedrale zu sich kam, verlangte die Menge draußen laut schreiend, dass ihm der Kopf abgeschlagen, in einen Sack gesteckt und in den Fluss geworfen werde. Daraufhin exkommunizierte Arnold die gesamte Stadt.
Zu ähnlichen Vorfällen kam es auch in anderen Städten und Dörfern.

Raymond VII. unterstützte die Inquisition anfänglich, er hatte auch kaum eine andere Wahl, doch 1235 ergab sich die Gelegenheit zurückzuschlagen. Die Beziehung zwischen dem Papsttum und dem Kaiser des Hl. Römischen Reiches Friedrich II. wurde immer angespannter. Sie war nie sehr gut gewesen: Eine von Gregors ersten Handlungen als Papst war die Exkommunikation Friedrichs gewesen, weil dieser seine Teilnahme am Kreuzzug hinausgezögert hatte. Raymond bot dem Papst an, im Languedoc für Gregor einzugreifen, wenn dieser seine Inquisitoren zu mehr Zurückhaltung anhielte. Gregor nahm das Angebot an und versuchte, die fanatischsten Vertreter der Inquisition im Languedoc im Zaum zu halten. Als die Bewohner von Toulouse sahen, dass sie an Boden gewonnen hatten, verstärkten sie ihren Widerstand. Katharer und ihre Sympathisanten wurden versteckt oder aus der Stadt geschmuggelt.
Die Lage spitzte sich zu, bis die Inquisitoren im Oktober von einer johlenden Menge, die sie mit Steinen und Exkrementen bewarfen, aus der Stadt gejagt wurden. Der Papst, der erkannte, dass er Raymond als Verbündeten brauchte, konnte wenig mehr tun, als dem Grafen einen verärgerten Brief zu schreiben. Er ernannte einen Franziskanermönch, Stephan von St. Thibéry, zum neuen Inquisitor, in der Hoffnung, dass der Ruf der Franziskaner, humaner als ihre dominikanischen Glaubensbrüder zu sein, die Spannungen etwas mildern würde. Leider erwies sich dieser Schritt als Bumerang, denn Stephan entpuppte sich als ebenso fanatisch wie die Dominikaner.

Dennoch erzielte die Inquisition einige Erfolge. Zwei Perfecti, die zum Katholizismus konvertiert waren, Raymond Gros und Wilhelm von Soler, gaben die Namen von Dutzenden Häretikern preis. Außerdem verrieten sie den Inquisitoren, dass die Perfecti verschiedene Strategien entwickelt hatten, um sich vor der Verfolgung zu retten.



S. 129) Montségur – der Erzbischof und das Autodafé

Am 2. März 1244 verkündete Pierre Roger schließlich die Kapitulation. Die Sieger zeigten sich gnädig:
Wer sich der Befragung durch die Inquisitoren stellte und der Kirche einen Treueid schwor, durfte gehen. Begangene Verbrechen wie die Morde in Avignonet waren vergeben. Die Perfecti standen vor derselben schwierigen Wahl wie ihre Brüder in Minerve und Lavaur: dem Katharismus abzuschwören oder auf dem Scheiterhaufen zu brennen. Sie bekamen zwei Wochen Zeit, um sich zu entscheiden.
Für die Perfecti gab es nichts zu überlegen. Keiner der 200 war bereit zu widerrufen.

Sie nutzten die zwei Wochen, um ihr Hab und Gut an ihre Familien und Anhänger zu verteilen. Pierre Roger erhielt 50 Wamse, die die Perfecti angefertigt hatten, die er nach seinem Gutdünken verkaufen oder verschenken sollte.
Am letzten Sonntag des Waffenstillstands baten 21 Credentes um die Erteilung des Consolamentum.
Sie wussten, dass sie damit den Tod auf den Scheiterhaufen wählten, die am Fuß des Bergs bereits errichtet wurden. Wenn es in der Geschichte des Katharismus etwas gibt, das die Macht dieses Glaubens verdeutlicht, ist es dieses Ereignis. Alle erhielten das Consolamentum.
In den frühen Morgenstunden des 16. März 1244 wurde Montségur geräumt. Pierre Roger, seine Ritter und ihre Familien wurden freigelassen und mussten zusehen, wie die Perfecti zu den Scheiterhaufen geführt wurden. Sie kamen aus den verschiedensten sozialen Schichten, und auch Frau und Tochter von Raymond de Peréille waren unter ihnen. In Anwesenheit von Hugo von Arcis (Hugues d'Arcis) und Pierre Amiel, dem Erzbischof von Narbonne, wurden die Scheiterhaufen angezündet. Bis heute wird dieser Ort das "Feld der Verbrannten" genannt.



S. 130 f.) Denunzianten in Familien – Sicard de Lunel

Als auch die letzte Hochburg des Katharismus gefallen war, blieben den Perfecti und Credentes nur noch wenige Zufluchtsorte und noch weniger Beschützer. Das musste auch ein gewisser Peter Garcias 1247 am eigenen Leib erfahren: Sein Verwandter, ein Franziskaner namens Wilhelm, lud ihn ein, um Fragen des Glaubens und der Lehre zu diskutieren. Bei diesem Gespräch empörte sich Peter über die Kirche von Rom und nannte sie eine "Hure, die Gift verabreicht." Leider war er zu vertrauensvoll: Wilhelm zog einen Vorhang zurück, hinter dem mehrere Sekretäre Peters Aussagen sorgfältig mitgeschrieben hatten. Er wurde sofort der Inquisition übergeben.
Wilhelm Garcias war nicht der einzige, der Familienmitglieder an die Inquisitoren verriet.
Ein ehemaliger Perfectus, Sicard de Lunel, denunzierte eben den eigenen Eltern noch ganze Scharen seiner früheren Glaubensbrüder und Helfer, "ob sie ihm ein Bett für die Nacht angeboten oder einen Topf Honig gegeben hatten."
Sicards Verrat wurde von der Kirche großzügig belohnt, und er erreichte ein stattliches Alter.



S. 132 f.) KKK belohnt Verräter

In den Jahren nach dem Fall von Montségur erreichte die Inquisition im Languedoc unter der Führung von Bernard de Caux und Jean de St. Pierre unvorstellbare Ausmaße. Über 5000 Protokolle sind aus dieser Zeit erhalten, die aber nur einen Bruchteil der Aufzeichnungen darstellen. Malcolm Lambert schreibt in diesem Zusammenhang, dass Bernhard, Jean und ihre Ordensbrüder versuchten, "ein vollständiges, allumfassendes Bild vom Glauben, den Praktiken und der Unterstützung des Katharismus in den Gebieten, in denen er verbreitet war," zu erstellen.

Katharer, die von den Inquisitoren befragt wurden, standen vor einem schrecklichen Dilemma, denn die Perfecti durften weder lügen noch einen Eid ablegen. Was sie auch taten, sie verstießen auf jeden Fall gegen ihre Überzeugungen. Einige entschieden sich, die Wahrheit zu sagen und belasteten dadurch andere Vollkommene, Gläubige und Sympathisanten, während andere logen und sowenig wie möglich preisgaben.
Wieder andere entschieden sich zu kollaborieren und wurden Doppelagenten. Sie lebten weiter als katharische Gläubige, beherbergten Perfecti auf der Flucht und verrieten sie dann. Das war riskant, denn es kam oft zu Vergeltungsschlägen gegen die Überläufer.
Einer von ihnen war Arnold Pradier, ein ehemaliger Perfectus, der zum Katholizismus konvertiert war und anfing, seine ehemaligen Glaubensbrüder zu denunzieren. Die Kirche brachte ihn und seine Frau in einem sicheren Haus, dem Château Narbonnais in Toulouse, unter, wo sie auf Kosten der Kirche ein gutes Leben führten.

Obwohl der Widerstand andauerte – in Castelbon wurden der Inquisitor vergiftet und die Burg angegriffen – konnten die Leute letztendlich nicht viel tun. Die Inquisition wurde zu einem Bestandteil ihres Lebens. Wer im Verdacht stand, ein falsches oder unvollständiges Zeugnis abgelegt zu haben, wurde erneut vor die Inquisitoren geschleppt und befragt, egal ab Adliger oder Bauer.
Dieses Vorgehen machte den meisten Adligen klar, dass es sinnlos war, sich der Kirche zu widersetzen.
Selbst Raymond VII begann, verdächtige Häretiker zu verfolgen und ließ im Juni 1249 80 Menschen verbrennen.



S. 140 f.) Gott-Guerilla

Währenddessen tauchte Guillaume in Tarascon auf, wo er ihre Mission vorbereitete. Während ihres Aufenthalts in der Lombardei waren die Brüder mit ihrer Familie zuhause in Kontakt geblieben, und diese hatte für ein Netzwerk von sicheren Unterkünften für die Brüder gesorgt. Im Winter und Frühjahr des Jahres 1300 lebten Guillaume und Pierre Autier zusammen mit Raymond de Saint-Papoul, einem weiteren Perfectus, in einem Taubenschlag, der einer Familie von katharischen Gläubigen gehörte. Angesichts der Macht der Inquisition mussten Pierre und Guillaume mit größter Vorsicht handeln, wenn ihre Mission auch nur eine geringe Aussicht auf Erfolg haben sollte.
Und sie war erfolgreich. Die Brüder erteilten etwa einem Dutzend anderer das Consolamentum, die ihnen halfen, die Lehre zu verbreiten. Unter ihren Anhängern war auch Aude Bourrel, die als letzte weibliche Vollkommene in die Geschichte eingehen sollte. Bernhard Marty – möglicherweise ein Verwandter des berühmten Katharerbischofs Bertrand Marty – war ein Schafhirte, der häufig als Kundschafter und Begleiter fungierte, während sein älterer Bruder Arnold einer der Autier-Perfecti werden sollte. Martin Francès aus Limoux übernahm die Aufgabe des Schatzmeisters der Gruppe. Sie erhielt Geschenke von Bertrand von Taix, einem Adligen, der sein ganzes Leben katharischer Gläubiger war und seine Glaubensbrüder im Bedarfsfall auf seinem Land wohnen ließ.

Kaum hatte die Gruppe im Frühjahr 1300 ihre Arbeit aufgenommen, geriet sie in Gefahr. Sie wurde von einem gewissen Guillaume Dejean kontaktiert, der sich als katharischer Gläubiger ausgab. Er bekundete sein Interesse, der Autier-Gruppe beizutreten, besuchte aber am folgenden Tag das Dominikanerkloster in Pamiers und bot an, die Katharer an die Inquisition zu verraten. Doch der Mönch, mit dem er sprach, war Pierre Autiers Neffe, der sofort seinem Bruder Guillaume von Dejeans Angebot erzählte. Guillaume informierte Raymond Autier, den einen Autier-Bruder, der kein Katharer war. Guillaume und Raymond war klar, dass Dejean mundtot gemacht werden musste. Er wurde auf einen Gebirgspass gelockt, wo vier Gläubige ihn zusammenschlugen. Als er auf ihr Drängen zugab, dass er vorgehabt hatte, die Autiers an die Inquisition zu verraten, warfen sie ihn in eine Schlucht.



S. 154 f.) Innozenz macht Ihro Dreifaltigkeit zum Gott der Folter

Während diese verschiedenen Bewegungen als Ventil für Menschen fungierten, die mit den traditionellen Formen der Religiosität unzufrieden waren, entstanden durch den Konflikt zwischen Papsttum und Hl. Römischen Reich Umstände, unter denen der Katharismus florieren konnte. Unter Friedrich II. (1220-1250) erreichten diese Konfrontationen ihren Höhepunkt, und die italienische Politik wurde in der Folge von zwei Fraktionen beherrscht, den papsttreuen Guelfen und den kaisertreuen Ghibellinen. Friedrich tat wenig, um die Verfolgung von Ketzern zu fördern, und auch das Papsttum, das auf Verbündete in den wichtigsten Städten der Lombardei aus war, forcierte das Thema nicht. In vielen Städten ignorierte man die Gesetze gegen Ketzerei – nicht, weil die Stadtherren Gruppen wie den Katharern oder den Waldensern besonders wohlwollend gegenüberstanden, sondern weil die Verfolgung von Häretikern der Kirche eine wichtigere Rolle eingeräumt hätte.
Die Katharer blieben unter dem Schutz der Ghibellinen weitgehend unbehelligt, und so florierte die katharische Kirche aus dem Languedoc in ihrem Exil in der Lombardei.

Der Tod von Kaiser Friedrich II. am 13. Dezember 1250 bedeutete für die kaisertreuen Ghibellinen einen schweren Rückschlag. Sein Sohn Konrad IV. setzte den Kampf gegen das Papsttum fort, doch dieses trug 1268 mit der Gefangennahme und Hinrichtung von Friedrichs Enkel Konradin, dem letzten Herrscher der Hohenstaufen, den Sieg davon. In der Folge verloren die Ghibellinen an Bedeutung, und die Katharer, die unter ihrem Schutz gestanden hatten, wurden wieder stärker von der Inquisition bedrängt. Als von den Katharern gedungene Männer den Inquisitor (und ehemaligen Katharer) Peter von Verona 1252 ermordeten, nutzte Papst Innozenz IV. diesen Vorfall geschickt für die Kirche: Peter wurde heilig gesprochen, und Innozenz genehmigte den Einsatz der Folter bei inquisitorischen Verfahren.
Als die Inquisition ihre Anstrengungen verstärkte, gingen viele Katharer in den Untergrund oder führten ein Doppelleben.


S. 166 f.) Jesus und Magda

Laut einer Hypothese war der Schatz der Katharer, der kurz vor der Kapitulation aus Montségur geschmuggelt wurde, der Gral, der dann entweder in einer Höhle in der Nähe versteckt oder den Tempelrittern übergeben wurde. (Der Sergeant von Montségur, Imbert von Salles, sagte der Inquisition jedoch, der Schatz der Katharer bestehe aus Geld und Edelsteinen.) Die Deutung des Grals als Magdalenas Schoß impliziert, dass der Heilige Gral – auf französisch san graal – eine falsche Schreibweise von sang real, heiliges Blut, ist und für die Blutlinie von Jesus und Magdalena steht. Interessanterweise besagt eine der geheimen katharischen Lehren, die nur den Perfecti vorbehalten waren, dass Magdalena die Ehefrau Jesu war. Das ist, mit Verlaub gesagt, verblüffend, da die Katharer die Ehe strikt ablehnten. Darüber hinaus war dies keine Lehre, die die Katharer von den Bogomilen übernommen hatten. Möglicherweise spiegelte die Vorstellung, dass Jesus und Magda verheiratet waren, eine Überlieferung wider, die im Languedoc verbreitet war. Doch auch das ist nur eine Vermutung.


S. 172 f.) Eine Gesellschaft von Verfolgern

Der Katharismus entstand zu einer Zeit tiefgreifender Veränderungen in Europa.
Der Historiker Robert Ian Moore behauptete sogar, dass die westliche Gesellschaft ihre Institutionen durch die Verfolgung von Häretikern im 13. Jh. entwickelte. Darüber hinaus spielte die Definition der Häresie eine wichtige Rolle für die Entstehung der Hexenverfolgungen, die im 16./17. Jh. zur Ermordung Tausender Unschuldiger führten. Es ist vielleicht das Streben der Katharer nach einem authentischen Glauben, der ihrer Geschichte bis heute Relevanz verleiht.
Ihre Behauptung, Teil einer authentischen apostolischen Tradition zu sein, die auf die Zeit Christi zurückgeht, lässt sich nicht beweisen, sondern nur ableiten. Der Anspruch der katholischen Kirche, die Nachfolgerin der Urkirche Petri zu sein, ist historisch jedoch ebenso wenig verifizierbar. Für die Katharer könnte eine der Schriftrollen vom Toten Meer sprechen, die 1991 erstmals veröffentlicht wurden, denn angeblich belegt die sogenannte Damaskusschrift den Ausschluss von Paulus aus der christlichen Gemeinschaft.

Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, wäre damit der Anspruch der katholischen Kirche hinfällig, Gottes Statthalter auf Erden zu sein, denn der Großteil des organisierten Christentums beruht auf den Lehren von Paulus und nicht auf denen Christi.
Die Kirche ist aber offensichtlich nicht der Ansicht, dass die Veröffentlichung des Textes ihre Position untergräbt, und im Mai 2000 entschuldigte sich Papst Johannes Paul II. für die Kreuzzüge. Viele Menschen fanden, dass diese Entschuldigung kein ausreichendes Versöhnungsangebot an die arabische Welt darstellte. Der Albigenserkreuzzug wurde nicht erwähnt, und es ist unwahrscheinlich, dass sich das Papsttum jemals dafür entschuldigen wird.
Mag sein, dass der wahre Schatz der Katharer ihr Bekenntnis zu Einfachheit, Gleichheit, Gewaltlosigkeit, Arbeit und Liebe ist. Da sie keine Kirchen bauten, brachten sie Gott in die Häuser der Menschen.
Für die Katharer war Spiritualität kein religiöses Gebot, sondern etwas, das jeden Augenblick des Daseins erfüllen sollte.


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