October 18, 2010

Corporate Citizenship



Reinhard Marx 2008: Das Kapital

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Das Spieglein-Spieglein-lopo des Münchner Tempelherrn
und Jesuitenzögling, Jesuitenjournalist Martin Lohmann


S. 214 f.) Familie predigen und Militärbruderschaft (Mafia) präferieren

Der enge Zusammenhang von biographischer Herkunft und Bildungschancen macht deutlich, dass Bildungspolitik und Familienpolitik nicht voneinander zu trennen sind. Bildung beginnt in der Familie und wird hier durch Erziehung grundgelegt. Deshalb muss an erster Stelle die Stärkung der Familien stehen. Die ZVK-Pastoralkonstitution Gaudium et Spes hat deutlich auf d. Kultur/Bildung/Familie-Zusammenhang hingewiesen:

"Insbesondere in der Familie, sozusagen der Mutter und Hüterin dieser Erziehung, lernen die Kinder, von Liebe umhegt, leichter die wahre Ordnung der Wirklichkeit.
Die erprobten Formen der menschlichen Kultur prägen sich gleichsam von selbst dem Geist der heranwachsenden Jugend ein."

[...] Auch Karl Marx war übrigens der Auffassung, die Familie sei der wichtigste Ort der Wertevermittlung. Insofern war für ihn die Familie aber auch eine konservative Institution, einer der tragenden Stützpfeiler der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die er bekämpft hat. "Aufhebung der Familie" war deshalb eine der zentralen Forderungen der Marxisten und einer der Punkte, in dem die Kirche von Anfang an auf klaren Konfrontationskurs mit Kommunisten und Sozialisten gegangen ist.
Freilich hatte Marx Recht, wenn er sagte, dass es den Arbeitern unter den sozialen Bedingungen der Frühindustrialisierung ohnehin unmöglich war, ein auch nur annähernd normales Familienleben zu führen. Aber dann wird wiederum deutlich, dass mein Namensvetter eine ganz andere Lösung für die Soziale Frage anstrebte als die Kirche. Die Kirche wollte durch Sozialreformen nicht nur die Rechte der Arbeiter stärken, sondern auch die Familie stützen. Karl Marx hingegen wollte nach einer Revolution in der kommunistischen Gesellschaft nicht nur eine neue gesellschaftliche Produktionsweise etablieren, sondern auch einen neuen Menschen und völlig neue Formen des menschlichen Zusammenlebens schaffen. Es selbst blieb in diesem Punkt noch vage, einige neomarxistische "Achtundsechziger" hatten bekanntlich ihre eigene Interpretation dieser Marxschen Lehre.


Volles Menschsein und hl. Vater(-/Pater)tum


Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass nicht nur der Marxismus, sondern auch alle totalitären Ideologien des 20. Jh.s – Kommunismus, Faschismus, Nationalsozialismus – sich gegen die Familie gewendet haben und andere Gemeinschaften, das Proletariat oder die Volksgemeinschaft, zur allein maßgeblichen Größe erklärten. Die Kirche wandte sich – wie die Geschichte gezeigt hat, völlig zurecht – von Anfang an entschieden gegen solche Verirrungen.
Für die Katho. Soziallehre ist die Familie eine naturrechtliche Institution. Sie gehört zum vollen Menschsein.



S. 217) Ohne Familie keine Freiheit

Ein Staat ist auf Zukunft hin nur lebensfähig, wenn es in ihm genügend vitale Familien gibt.
Diese Ressource an Leben kann der Staat nicht herstellen, er baut vielmehr auf ihr auf. [...]
In der Familie reifen Kinder auch zu den gefestigten Charakteren heran, auf die gerade der freiheitliche Staat und die liberale Gesellschaft angewiesen sind. Der Staatsrechtler Paul Kirchhof (SJ) hat diesen Zusammenhang in einem 2002 vor der Joseph-Höffner-Gesellschaft gehaltenen Vortrag prägnant zusammengefasst:

"Ohne Familie gibt es keine wirksame Erziehung, ohne Erziehung keine Persönlichkeit, ohne Persönlichkeit keine Freiheit."


S. 219 ff.) Rentenversicherungsinterner Familienleistungsausgleich

Die Leute, die in die Sozialversicherungssysteme einzahlen und Kinder haben, leisten einen doppelten Beitrag. Im Vergleich zu den Rentenansprüchen der Kinderlosen wird ihr zusätzlicher Beitrag – nämlich die Pflege und Erziehung der Kinder, die künftig Beitragszahler sein werden – aber nicht ausreichend berücksichtigt. Diese Leistung wird sozialisiert, während die unterschiedlichen finanziellen Beiträge dem einzelnen Beitragszahler zugeordnet, also privatisiert werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat – federführend war dabei der damalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof – den Gesetzgeber bereits mehrfach dazu ermahnt, diesen Missstand in unserem Sozialversicherungssystem zu beseitigen.
[...] Weil uns als Kirche die Frage der Familiengerechtigkeit ein ganz besonderes Anliegen ist, haben wir von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der dt. Bischofskonferenz (dbk.de) ein Gutachten zu einer familiengerechten Reform der gesetzlichen Rentenversicherung in Auftrag gegeben, das von dem Ökonom Jörg Althammer (Görres-Gesellschaft) ausgearbeitet und 2006 vorgestellt wurde. Althammer kommt zu dem Fazit:

"Ein familiengerechtes System der sozialen Alterssicherung würde die Erziehungsleistung deutlich stärker berücksichtigen, als das bislang der Fall ist. Um ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen zu vermeiden, sollte jede Geburt – unabhängig vom Zeitpunkt der Geburt, von der Höhe des Einkommens der Eltern und von der Erwerbsbiogaphie der Erziehungsperson – einen einheitlichen und unbedingten Rentenanspruch auslösen. Gemessen an dieser Anforderung erweist sich der rentenversicherungsinterne Familienleistungsausgleich als hochgradig defizitär und reformbedürftig."

S. 228) Karawanenkapitalismus



S. 232) Mit Jesusworten aus dem Lukasevangelium

In einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung erfüllt der Unternehmer nicht nur eine unverzichtbare ökonomische Funktion. Viel mehr als das ist er zugleich Träger moralischer Verantwortung für den Erhalt und die Fortentwicklung dieser Ordnung. Über diese auch auf den Nutzen für die Unternehmen selbst abzielende Begründung der sozialen Verantwortung von Unternehmern und Managern hinaus gibt es aber auch einen anderen Aspekt, den ich mit einem Jesuswort erläutern möchte:

"Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen." (Lk 12:48)

"Nur bei Lukas steht das Trostwort für die 'kleine Herde'. Die Gemeinde der Jünger Jesu ist in der Welt eine machtlose Minderheit, damals und heute. Dennoch, die Kirche ist auf Weite und Universalität angelegt. Den Glaubenden gehört die Zukunft, das 'Reich'. Es kommt darauf an, dass sie ihre Situation in der Zeit dieser Welt begreifen. Es ist die Zeit des Wachens und Durchhaltens auf den Tag hin, an dem der Herr kommt."
V.37 Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt!
V.40 Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
V.47 Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen. V.48 Wer aber, ohne den Willen des Herrn zu kennen, etwas tut, was Schläge verdient, der wird wenig Schläge bekommen. Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.

Entzweiung um Jesu willen: V.49 Ich bin gekommen, ein Feuer zu entzünden auf Erden. Noch lieber wäre mir, es würde schon brennen! V.50 Aber ich muss mich zuvor taufen lassen [...] V.51 Meint ihr, dass ich gekommen bin, um Frieden zu bringen auf Erden? Nein, sage ich, ich bringe Zwietracht.
V.52 Denn von nun an werden fünf in einem Haus uneins sein, drei wider zwei und zwei wider drei.
V.53 Es wird sein der Vater wider den Sohn und der Sohn wider den Vater. Die Mutter wider die Tochter und die Tochter wider die Mutter.

[...] Das sind keine romantischen Utopien. Es gibt in Dtl., aber auch den anderen alten Industrienationen eine reiche Geschichte bürgerschaftlichen Engagements von Unternehmern und Unternehmen. Der Einsatz für die Gemeinschaft, in der man lebt und wirtschaftet, war für Generationen führender Persönlichkeiten des Wirtschaftslebens eine Selbstverständlichkeit. War ein Teil ihrer Lebensphilosophie.



S. 234 f.) Pionier-/Unternehmergeist versus Büro-/Technokratentum

Die allermeisten Mittelständler, die ich kenne, haben es in keiner Weise verdient, mit Leuten wie den BenQ- oder Nokia-Managern in einen Topf geworfen zu werden. Im Gegenteil! Ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal sehr deutlich sagen: Diesen vielen Handwerkern, kleinen und mittleren Unternehmern, die mit hohem persönlichen Einsatz in einem globalisierten Wettbewerb einen täglichen Kampf um den Erfolg ihres Unternehmens führen, gebührt unser aller Dank. Sie sind es, die in unserer Gesellschaft tatsächlich "Werte schaffen", die wichtige Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die Lehrlinge ausbilden und so jungen Menschen eine Zukunftsperspektive bieten, die mit ihrem Ideenreichtum und Wagemut die Garanten eines erfolgreichen Wirtschaftsstandorts sind und Arbeitsplätze schaffen.
Diese Leistung der Unternehmer hat mein Namensvetter übrigens nie wahrgenommen.
Karl Marx hat in seiner Theorie des Kapitals volkswirtschaftliche Prozesse beschrieben und versucht hier allgemeine Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Aber er hatte keinerlei Sensus dafür wahrzunehmen, dass die Wirtschaft, dass v.a. wirtscha. Fortschritt ganz wesentlich von dem Pioniergeist einzelner Unternehmer lebt, die immer wieder neue Wege gehen und damit auch ihren Mitmenschen immer wieder neue Möglichkeiten eröffnen. Ein wesentlicher Grund dafür, dass die kommu. Zentralverwaltungswirtschaft gescheitert ist, liegt darin, dass in diesem System der Unternehmergeist erstickt worden ist und die Wirtschaft Technokraten und Bürokraten überlassen wurde.
Nein, wir brauchen Unternehmer, wir brauchen unternehmerischen Geist. Völlig zurecht hat der große Ordoliberale Wilhelm Röpke einmal geschrieben (1972, Die Lehre von der Wirtschaft, S. 258):

"Die Menge sieht nur den erfolgreichen Unternehmer, weiß aber nicht nur wenig davon, was alles zu einem solchen Erfolge gehört, sondern auch davon, wie sich – immer die Konkurrenz vorausgesetzt – mit einer lautlosen Erbarmungslosigkeit fortgesetzt unter den Unternehmern ein Ausscheidungsprozess vollzieht, dem diejenigen zum Opfer fallen, die auf der Waage des Marktes gewogen und zu leicht befunden wurden. So erscheint der Unternehmer in einer auf echtem Wettbewerb beruhenden Marktwirtschaft im Grunde als ein treuhänderischer Verwalter der ihm anvertrauten Produktionsmittel. Als ein – im Vergleich zu seinen Leistungen und im Vergleich zu den Kosten einer bürokratischen Staatswirtschaft im Durchschnitt sehr billiger – Funktionär der Gesellschaft, der seine Haut wirklich zu Markte trägt, während der Politiker nur die Verantwortung vor 'Gott und der Geschichte' zu übernehmen pflegt. Ein solcher Unternehmer, der die bequemen Krücken der staatlichen Subventionen wie diejenigen des Monopols verschmäht, sollte vor jedem Angriff eines vulgären Antikapitalismus gesichert sein."

Aber auch an dieser Stelle muss ich wieder einmal sagen: Ich möchte die Berufsgruppe der bezahlten Manager keineswegs den Eigentümerunternehmern nach einem Schwarz-Weiß-Schema gegenüberstellen.



S. 237 ff.) Dunkle Stunde – tiefste Nacht – finsterstes Mittelalter

Ich bin ein Anhänger offener Märkte, auch offener Finanzmärkte, aber sie bedürfen eines Ordnungsrahmens, in dem die unterschiedlichen berechtigten Interessen berücksichtigt werden.
Was derzeit z.T. passiert, kann auf Dauer nicht gutgehen. In der Ideologie eines verabsolutierten Shareholder Value, die eben andere Interessen und Gemeinwohlbelange ausblendet, verselbständigt sich das Kapital in einer Weise, die von den arbeitenden Menschen als Bedrohung wahrgenommen wird.
Dass Karl Marx das schon in seiner aggressiven Klassenkampfrhetorik formuliert hat, sollte uns angesichts der Folgen, die das hatte, zu denken geben:

"So wächst die Macht des Kapitals, die im Kapitalisten personifizierte Verselbständigung der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen gegenüber den wirklichen Produzenten.
Das Kapital zeigt sich immer mehr als gesellschaftliche Macht, deren Funktionär der Kapitalist ist und die in gar keinem möglichen Verhältnisse mehr zu dem steht, was die Arbeit eines einzelnen Individuums schaffen kann – aber als entfremdete, verselbständigte gesellschaftliche Macht, die als Sache und als Macht des Kapitalisten durch diese Sache, der Gesellschaft gegenübertritt." (MEW Bd. 25, S. 274)

Für Marx war damit die Stunde der kommu. Revolution gekommen, die Stunde der Vergesellschaftung des Kapitals und der Produktionsmittel. Die Geschichte hat uns jedoch auf schreckliche Weise gezeigt, wie dunkel diese Stunde war. Mit der russischen Oktoberrevolution von 1917 senkte sich für Jahrzehnte tiefste Nacht über viele Millionen Menschen. Das darf sich niemals wiederholen.
Aber gerade deswegen müssen wir uns der gegenwärtigen Tendenz zur Verabsolutierung des Kapitals und der Kapitalinteressen entgegenstellen. Die Arbeit und die arbeitenden Menschen haben Vorrang vor dem Kapital. Das heißt nicht, dass Kapitalinteressen nicht berücksichtigt werden sollen. Auch das Kapital gehört ja Menschen, und die Interessen dieser Menschen sollen und müssen natürlich in gehöriger Weise berücksichtigt werden. [...] Es gilt das Prinzip des Vorranges der Arbeit vor dem Kapital. Diese zentrale Aussage der Katho. Soziallehre ist häufig missverstanden worden. Was sie bedeutet, hat Papst Johannes Paul II. in seiner berühmten Enzyklika Laborem exercens von 1981 ausführlich erläutert.
Der Arbeit kommt der Vorrang zu, weil sie immer menschliche Arbeit ist. Geld, Kapital besitzt der Mensch als einen ihm äußerlichen Gegenstand. Die Arbeit hingegen ist nicht von dem Menschen zu trennen, der sie verrichtet, sie ist zutiefst mit ihm verbunden. Deshalb hat die menschliche Arbeit Anteil an der Würde des Menschen. [...] Der Papst bestreitet damit keineswegs die Rechte der Kapitaleigentümer, er betont lediglich, dass die Kapitalinteressen dort zurückzutreten haben, wo sie in Konflikt mit der Würde der Arbeit geraten.
Kein Profit rechtfertigt entwürdigende Arbeitsbedingungen. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Klassenkampfrhetorik zu tun.


S. 239 f.) Stakeholder Citizenship

Was wir nach meiner festen Überzeugung brauchen, ist eine Erweiterung des Shareholder-Ansatzes zum Stakeholder-Ansatz. Als Stakeholder werden alle sozialen Anspruchsgruppen bezeichnet, die jeweils eigene spezifische Informationsbedürfnisse und Anliegen gegenüber dem Unternehmen haben. D.h., die Manager in den großen Unternehmen haben nicht nur die Rendite der Aktionäre im Blick zu behalten, sondern auch die berechtigten Interessen der Beschäftigten, der Kunden, der ganzen Gesellschaft und auch der Umwelt. Das Kriterium für die Anerkennung von Stakeholdern ist also die ethisch begründbare Legitimität ihrer Ansprüche.
[Am I even some sort of stakeholder perhaps regarding the global catholic church corporation?]
Dass Wirtschaftsorganisationen gegenüber den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppierungen in Verantwortung stehen, die weit über den eigenen Organisationsrahmen hinausgeht, spiegelt sich mittlerweile in der Kodifizierung von Unternehmensleitlinien und -grundsätzen wider, die nahezu von allen großen Konzernen verfasst worden sind. Die Unternehmen präsentieren sich hier im Sinne des Corporate Citizenship als sozial-ökonomische Größen, die sich der Gesellschaft als mitgestaltende Akteure verpflichtet wissen. Ihre sozialen, aber auch ökologische und kulturelle Verpflichtung bringen sie in den Beziehungen zu ihren Stakeholdern zum Ausdruck.
Allerdings haben zahlreiche Ereignisse der letzten Zeit wieder einmal deutlich gemacht, dass Papier geduldig ist [...]

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