October 20, 2010

Te Deum – Die Augustiner


Te Deum – Himmel auf Erden: Die Grundpfeiler unserer Kultur

"Wir sind zu schwach, um mit der bloßen Vernunft die Wahrheit zu finden."

pt 5) Ordo Sancti Augustini – OSA – "Glaube und Wahrheit"
pt 1 & pt 2 & pt 3 & pt 4 & pt 6

In der Tradition des Kirchenvaters Augustinus betreiben die Augustiner "auf der ewigen Suche nach der Wahrheit" bis heute vertiefte theologische und wissenschaftliche Studien.
Neben dieser intellektuellen Tätigkeit engagieren sie sich vornehmlich in der Seelsorge und im sozialen Bereich.

Augustinus (354-430) wurde in Tagaste, einem kleinen Ort an der nordafrikanischen Küste im heutigen Algerien geboren und wuchs als Sohn einer Christin und eines armen, von den Abgaben an Rom gepeinigten Landbesitzers auf. Zu jener Zeit hatte Kaiser Konstantin II. (317-340) die Kirche zu einer Stütze des zerfallenden Römischen Reichs gemacht, indem er die damals traditionellen heidnischen Götterkulte verbot und sich zum Christentum bekannte. Augustinus fühlte sich früh als ein von Gott Getriebener, ein ewig nach der Wahrheit Suchender. In der Schule unterfordert, stürzte er sich in zahllose Liebesaffären, aus denen auch ein Kind hervorging. Spirituellen Halt suchte er bei der persischen Sekte der Manichäer. Durch ihre dualistische Lehre von Gut und Böse fühlte er sich zunächst in seinem Streben nach Wahrheit bestätigt, bis ihn wieder Zweifel plagten und ihn die Frage nach Gott weiter vorantrieb. Ein Freund seiner Eltern ermöglichte dem hochbegabten Jungen ein Studium in Karthago in Dialektik, Rhetorik und Philosophie. [...]

Erst als er von den frühen Wüstenvätern wie Antonius und den ersten Klostergründungen hörte, spürte er, auf dem richtigen Weg zu sein. Letzte Sicherheit gab ihm ein Bekehrungserlebnis: Als eine Kinderstimme im Garten eines Freundes ihm geheißen hatte, "nimm und lies," deutete er diesen Hinweis als Zeichen Gottes [...]
Im Jahr 386 ließ sich Augustinus von Erzbischof Ambrosius taufen.
Nach Aufenthalten in verschiedenen Klöstern kehrte er schließlich in seine Heimat Nordafrika, nach Hippo Regius, zurück, wo er 395 zum Bischof berufen wurde, und begann, die konkurrierenden christlichen Strömungen, den Manaichäsmus, den Donatismus und den Pelagonismus zu bekämpfen.
In Tagaste gründete er mit sechs Brüdern sein erstes Hauskloster, dem andernorts noch mehrere folgen sollten.
In Tagaste fand Augustinus nach seinem gehetzten Dasein endlich die nötige Stille, um jene Werke niederzuschreiben, die ihn zum großen Kirchenvater machten. Er verfasste insgesamt 100 Schriften, die die Grundlage seiner Lehre bildeten. Zu seinen Hauptwerken gehören die autobiografischen Bekenntnisse Confessiones und die Schriften über die Dreieinigkeit De Trinitate. Trotz seiner regen Tätigkeit als Bischof und Priester hielt Augustinus am monastischen Dasein fest und zeigte zum ersten Mal in der Mönchsgeschichte, dass ein aktives und ein kontemplatives Leben sich nicht gegenseitig ausschlossen.

Nach dem Einfall der Vandalen in Nordafrika im Jahr 428 flohen viele Mönche nach Mittel- und Norditalien, wo sie Klöster errichteten und die Regel des Augustinus verbreiteten. Sie lebten unabhängig voneinander in kleinen kontemplativen Gemeinschaften, bis Papst Innozenz IV. sie 1244 zum Orden der Augustiner-Eremiten vereinigte und ihnen eine klare Aufgabe zuteilte. Fortan sollten sie sich in den Städten des Mittelalters, wo nicht nur reiche Handelshäuser, sondern auch eine mittlere und untere Bürgerschicht entstanden war, um das Seelenheil der Menschen kümmern. Dazu hielten sie Predigten an festen Standorten ab und boten Buß- und Beichtmöglichkeiten an. Das kontemplative Leben mussten die Mönche dafür nicht aufgeben. Eines der italienischen Gründungskloster entstand in San Gimignano in der Toscana. In der Kirche befindet sich der Bilderzyklus von Benozzo Gozzoli (1420-97), der in 17 Szenen die Lebensgeschichte des hl. Augustinus erzählt. [...]

Der Schlüssel zum christlichen Denken liegt bei Augustinus in seiner Bewunderung des Mönchtums. Die Fähigkeit einfacher Menschen, sich für eine christliche Lebensverwirklichung im Kloster zu entscheiden, faszinierte ihn, der lange Zeit ein unruhiges Leben geführt hatte. Nur die Askese der Mönche überstieg für seinen Geschmack das menschliche Maß, ebenso ihre Zurückgezogenheit von der Welt. Er blieb der Welt zugewandt und engagierte sich für ein friedvolles Zusammenleben in sozialer Gemeinschaft. Nicht zuletzt deshalb bilden Liebe und Herz die Mitte seines Christenverständnisses. In der bildenden Kunst wird er oft mit einem Herz in der Hand dargestellt, gemäß seiner Überzeugung: "Das erste Ziel eures gemeinschaftlichen Lebens ist, in Eintracht zusammenzuleben und ein Herz und eine Seele in Gott zu sein." In diesem Sinne verstand Augustinus sein Kloster als eine Art Wiederkehr der christlichen Urgemeinde, wofür er seine ganze Lebenskraft und Liebe einsetzte. Als Vorbedingung für eine fruchtbare apostolische Tätigkeit des Ordens forderte er eine fundierte religiös-theologische Ausbildung der Mitglieder. Das Studium der Theologie war Grundregel innerhalb des Ordens und die vornehmste Aufgabe der Brüder.

In den Confessiones, einem der einflussreichsten autobiographischen Texte der Weltliteratur, legte Augustinus seinen philosophischen Ansatz dar, der von Platon stammende, jedoch im christlichen Sinn modifizierte Elemente enthält. Hierzu gehören insbesondere der Dualismus zwischen der höheren Welt des Seins, die nur dem Denken, und der niederen Welt des Werdens, die den Sinnen zugänglich ist.
Als christlicher Existenzialist war Augustinus stets darauf bedacht, die Wahrheitssuche in den Dienst des Seins zu stellen.
Was er im Geiste sah, wollte er in seinem Dasein verwirklichen.
Er wusste: Zu allen intellektuellen Aussagen lässt sich stets eine Gegenaussage finden, doch ein wirklich gelebtes Christentum ist jeder Diskussion enthoben. Darin sah er die innere Unerschütterlichkeit der mönchischen, aber vor allem der augustinischen Lebensführung. ("Man darf sich nicht so sehr in Tätigkeiten vergraben, dass man die sinnliche Betrachtung Gottes für überflüssig hält.")

Desweiteren entwickelte Augustinus die Lehre der Erbsünde. In seiner Interpretation des Römerbriefs 5:12 heißt es: "In ihm (Adam) haben alle gesündigt," so als wären alle in Adam enthalten gewesen. Diese augustinische Interpretation des altgriechischen Originaltextes ist philologisch fraglich und auch theologisch umstritten. Doch Augustinus glaubte, dass die Erbsünde physisch übertragen würde und argumentierte, dass nur diejenigen, die völlig unverdient die Gnade Gottes erhielten, dieser Erblast entkommen und ewiges Leben erhalten würden. Von der Minderheit wiederum, die der Hölle entginge, könnten nur wenige einer schmerzlichen Läuterung entrinnen. Augustinus war daher der bedeutendste Vertreter der Ansicht, dass man in der Hölle endlose Qualen leiden müsste, und neben Gregor dem Großen wird vor allen ihm zugeschrieben, die Lehre vom Fegefeuer systematisiert und ihr Platz in der katholischen Kirche verschafft zu haben. Augustinus war außerdem der Ansicht, dass der Mensch durch die Erbsünde "ewiges Übel" verdiene, und stritt ab, dass ein Gericht reinigenden Charakter haben könnte. Denn jemand, der vor seinem Tode Gott abgewiesen habe, würde dies auch nach dem Tod tun. ("Unser Herz ist unruhig, bis es ruhe in dir.")

Martin Luther wurde 1483 im Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit geboren. Er studierte seinem Vater zuliebe Rechtswissenschaften in Erfurt, trat dann jedoch gegen dessen Willen dem Orden der Augustiner-Eremiten bei. Trotz täglicher Bußübungen litt Luther große Gewissensqualen. Seine größte Sehnsucht war die nach einem gnädigen Gott, doch das Sakrament der Buße, deren Vorbedingung die aufrichtige Reue aus Liebe zu Gott, nicht Angst vor Gottes Bestrafung ist, machte ihm das Leben schwer. Denn Luther erkannte, dass er unfähig war, aus Liebe Gottes Forderungen zu erfüllen, sodass er auch an der zugesagten Vergebung zweifelte.
Um diesen inneren Konflikt zu lösen, studierte er im Augustinerkloster von Erfurt Theologie.
Ein Bibelvers aus dem Paulusbrief führte schließlich zu seiner inneren Befreiung:

"Darin wird offenbart die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, welche aus dem Glauben kommt und zum Glauben führt. Wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben."

In Gottes ewiger Gerechtigkeit sah er ein reines Gnadengeschenk, das dem Mensch nur durch den Glauben an Jesus Christus gegeben wird. Keinerlei Eigenleistung wie Buße oder Ablasszahlungen könnten dieses Geschenk erzwingen. Damit war für Luther die gesamte mittelalterliche Kirche, die sich in all ihren Formen und Inhalten als Vermittlungsanstalt zwischen der Gnade Gottes und den Menschen verstand, obsolet geworden. Mit der Änderung seines Nachnamens von Luder zu Luther – nach dem griechischen Wort eleutheros, "Befreiter", "frei" – signalisierte er äußerlich seine innere Verwandlung.
("Diese Interpretation spiegelt das tendenziell eher individualistische Glaubensverständnis der reformatorischen Konfessionen wider, die die 'sichtbare Kirche' als reine Verwaltungsinstitution einer 'inneren Kirche' der wahrhaft Gläubigen gegenüberstellen, während die römisch-katholische Lehre tendenziell eher den Gemeinschaftsaspekt betont, ausgehend von einem Kirchenverständnis, das in der hierarchischen Organisation die himmlische Gemeinschaft der Heiligen bereits zum Teil verwirklicht sieht.")

Nach Beendigung seines Studiums in Erfurt wurde Luther zum Priester geweiht und veröffentlichte später in Wittenberg 1517 seine Thesen, die die Reformation einleiteten. Luther stellte sich gegen die feudale Kirchengesellschaft in Rom, die ihren prunkvollen Lebensstil durch Abgaben des Adels sowie durch Ablassgesetze finanzierten. Ein Teil der Aristokratie griff mit Freude Luthers Ideen auf und trat zum lutherischen Protestantismus über, um so der Ausbeutung durch den Papst zu entgehen.
Heute ist Luthers ehemaliges Kloster in Wittenberg ein Museum, nachdem er es bereits nach seiner Eheschließung mit der Zisterzienserin Katharina von Bora zum Familienheim umgestaltet hatte.
Die neu entstandene Konfession konnte sich schließlich als staatlich gleichberechtigte Kirche neben der römisch-katholischen etablieren. Luthers Bibelübersetzung sowie die Einführung von Messen in landesüblicher Sprache waren Vorbild für viele europäische Länder und führten zu einer Festigung des jeweils nationalen Bewusstseins, unabhängig von Rom. Für den Orden der Augustiner sollte es jedoch nach dieser Spaltung in den kommenden Jahrhunderten noch schlimmer kommen. Konnte er am Vorabend der Reformation noch 1600 Niederlassungen in ganz Europa verzeichnen, erfuhr er durch die anschließende Säkularisation, die Französische Revolution und den Kulturkampf eine äußerst starke Dezimierung.

Besonders hart traf es die Augustiner in Großbritannien. Heinrich VIII. hatte die Gunst der Stunde genutzt und sich 1534 vom Papst losgesagt, der ihm keinen Dispens zur Aufhebung seiner Ehe erteilen wollte. Kurzerhand ernannte er sich selbst zum Oberhaupt der neuen anglikanischen Kirche Englands. Die darauffolgende Aufhebung der großen, alten Abteien, die teilweise noch aus dem 5. Jh. stammten, bedeutete eine gewaltige Finanzspritze für den König, die dazu benutzt wurde, die einflussreichen Klassen der englischen Gesellschaft an die religiöse Revolution zu binden. Der Niedergang fand seine Fortsetzung, als Heinrichs Tochter Elisabeth I. sich weigerte, den spanischen Thronfolger zu heiraten und die katholische Maria Stewart enthaupten ließ. Elisabeth erklärte die Katholiken zum Staatsfeind und startete in England, Irland und Schottland einen großangelegten Feldzug gegen die Mönche, der 1540 mit der Auflösung fast aller Klöster und damit auch Augustinerklöster endete.

Im 19. Jh. jedoch machte der Orden nochmals weltweit von sich reden.
In Österreich, wo die Habsburger k.u.k. Monarchie eine er letzten Hochburgen des Katholizismus darstellte und noch den alten Reichsgedanken aus dem Mittelalter vertrat – in den deutschen Fürstentümern und ihrer Vormacht Preußen wurde indes längst der Ruf nach Demokratie laut – lebte der Augustinermönch Gregor Mendel (1822-1884) im Kloster von Brünn. Der Orden und die Kirche ermöglichten dem jungen Hobbybiologen 1844 ein naturwissenschaftliches Studium an der Universität in Wien und ließen ihn im Klostergarten von Alt Brünn Versuche mit Erbsen durchführen.
Der Erfolg blieb nicht aus. Mendel entwickelte die nach ihm benannten Mendelschen Vererbungsgesetze: die Uniformitätsregel, die Spaltungsregel und das Gesetz der freien Kombinierbarkeit der Gene.
Heute wird Gregor Mendel auch Vater der Genetik genannt.
Etwa zur gleichen Zeit begann Darwin seine Evolutionsforschung, Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß hatten gerade ihre Werke veröffentlicht. Die Naturwissenschaften verdrängten mit ihren revolutionären Erkenntnissen die Theologie aus ihrer Königsdisziplin, den Menschen die Welt zu erklären. Ein Großteil der Gesellschaft verlor den Glauben an die Kirche. [...]

Schwester Rita Maria gehört zum Orden der Ritaschwestern, der 1911 vom Augustinerpater Hugolinus Dach gegründet wurde. Dieser erkannte, dass viele Familien in Not gerieten, wenn Mütter wegen Krankheit oder Entbindung im Krankenhaus waren. So suchte er Frauen, die in dieser Zeit den Haushalt übernahmen.
Das tun die rund 90 Ritaschwestern in Würzburg noch heute. Sie helfen zuhause aus, machen Krankenbesuche und leisten Sterbebegleitung, um überforderte Familienmitglieder zu entlasten und Trost zu spenden:

"Der Tod, den die Menschen fürchten, ist die Trennung der Seele vom Körper.
Den Tod aber, den die Menschen nicht fürchten, ist die Trennung von Gott."

[...] Im Würzburger Augustinerkloster leben heute 15 Brüder. (Kloster in Bayern) Hier ist das Provinzialat des Ordens untergebracht sowie das von Prof. Mayer gegründete Zentrum für Augustinerforschung (ZAF), zu deren Gründungsmitgliedern Kardinal Karl Lehmann und Benedetto Ratzinger gehören. Wissenschaftliches Arbeiten wird in Würzburg groß geschrieben. Seit über 17 Jahren wird hier am Augustinuslexikon gearbeitet [...] Gesprächsladen [...] Pater Jochen praktiziert in seinem Laden eine moderne Art der Stadtseelsorge, die bereits seit dem Mittelalter zum Hauptaufgabenbereich der Augustiner gehörte. Prior Peter Reinl fühlt sich mit den protestantischen Einrichtungen Würzburgs verbunden und engagiert sich besonders für ökumenische Projekte. Er glaubt, dass bedingt durch die gemeinsame Geschichte eine große Chance in der Zusammenarbeit mit den Protestanten besteht, zu denen er oft eine nähere geistige Verwandtschaft fühlt als zu anderen Orden. Pater Christoph hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen direkt mit dem Leben Augustinus zu konfrontieren. Auf dem sogenannten Augustinusweg bei Würzburg führt er Pilger durch die Lebensstationen des Kirchenvaters, damit sie ihren eigenen Lebensweg erkennen. [...] Heute gibt es weltweit noch knapp 3000 Augustinermönche.

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