October 13, 2010

Te Deum – Die Benediktiner


Te Deum – Himmel auf Erden: Die Grundpfeiler unserer Kultur

"Der Gehorsam, den man den Oberen leistet, wird Gott erwiesen."

pt 1) Ordo Sancti Benedicti – OSB – "Das rechte Maß"

pt 2 Zisterzienser & pt 3 Franziskaner & pt 4 Dominikaner & pt 5 Augustiner & pt 6 Jesuiten

Benedictine Monasticism & Benedictines in Europe

Der Benediktinerorden ist der älteste existierende Mönchsorden und galt bis ins hohe Mittelalter als eigentlicher Träger der geistigen Bildung, Wegbereiter und Förderer des
gesamten kirchlichen und kulturellen Lebens in Europa.

Auf 3sat ("Mönche und Nonnen sind keine Aussteiger." Aernecke) und bei Piper/Pendo (im Guido-Knopp-Verlag):
Faszinierende Gestalten wie Bernhard von Clairvaux, Thomas von Aquin, Hildegard von Bingen, Franz von Assisi oder Ignatius von Loyola sind aus unserer abendländischen Kultur nicht mehr wegzudenken.
Und doch wissen wir nur noch wenig über diese Menschen und die Orden, denen sie angehörten oder die sie gar begründeten. Dabei sind die großen christlichen Orden nichts weniger als die Grundpfeiler unserer Kultur – es war das Mönchstum, das unser Abendland entscheidend geprägt hat.
Die großen Ordensgemeinschaften der Benediktiner, Zisterzienser, Franziskaner, Augustiner, Dominikaner und Jesuiten wirkten in Kunst, Erziehung, sämtlichen Geistes- und Naturwissenschaften sowie in der Politik.
Sie gaben Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und wiesen den Menschen den Weg zu Gott.
Die geschichtliche Herausforderung annehmend, gewährten sie den Menschen über Jahrhunderte nicht nur spirituelle Unterstützung, sondern wirkten auch als tatkräftige Kulturträger. Auch heute noch sind die Orden von Bedeutung, selbst wenn wir in unserem Alltag davon oft wenig zu spüren meinen.
Viele der Mönche und Nonnen, die sich in unserer Zeit bewusst für ein Leben in Demut entscheiden, haben zunächst gelebt wie viele von uns. Bis etwas mit ihnen geschah, das sie ihr Leben dem "Lob Gottes" widmen ließ.

Robert Zollitsch (SJ), seit Februar '08 oberster Kirchenfürst des Landes:

"Orden und Ordensleute haben mit ihren zahlreichen Klöstern die Kulturlandschaft Deutschlands und Europas in einem heute kaum mehr bewussten Ausmaß geprägt. Bereits die Christianisierung weiter Landstriche ging von klösterlichen Zentren aus, die es schon vor der Gründung von Bistümern gab. Durch ihre Schulen und Hospize bauten die Klöster durch viele Jahrhunderte hindurch entscheidend mit an einer Zivilisation der Bildung und der Barmherzigkeit. Es waren Mönche und Nonnen, die lange bevor ein Sozialstaat dafür eintrat, Krankenhäuser und Altenheime, Schulen und Hochschulen, Einrichtungen zur Kinder-, Jugend-, und Familienhilfe errichteten und dies sowohl personell wie finanziell unterhielten.
Klöster wurden zu Zentren, in denen Theologie und Philosophie, Liturgie und Kunst, Architektur und Landwirtschaft, Heilkunde und Erziehung betrieben und gefördert wurden.
Die Impulse zu diesem enormen Kulturschaffen der Klöster kamen aus einer tiefen Glaubenserfahrung. Die großen Gründergestalten der Orden verbindet, dass sie etwas wie eine Ursprungs- oder Initialerfahrung mit Gott in Jesus Christus auf ihrem Weg gemacht haben.

Es war der Lebensweg Jesu Christi, der sie faszinierte und nicht mehr losließ und dem sie im Kontext ihrer konkreten Zeitumstände nachfolgen wollten. So verband sich die benediktinische Suche nach Gott, das dominikanische Setzen auf die Verkündung des Evangeliums, die franziskanische Liebe zum gekreuzigten Herrn oder das ignatianische 'Gott in allen Dingen finden' mit einer entschiedenen Hinwendung zum Menschen in seiner konkreten Bedürftigkeit oder Not. Liebe zu Gott und liebendes Engagement für den Menschen – beides gehörte für die Ordensgründer wie deren Brüder und Schwestern zusammen. Aus einer sehr persönlichen und im Laufe ihres Lebens wachsenden Liebe zu Gott schöpften sie die Kraft für ihren Dienst am Menschen. Und umgekehrt, die Begegnung mit Gott erfuhr – wie Papst Benedikt es in seiner Enzyklika 'Deus Caritas est' beschreibt – erst aus der Hinwendung zum Nächsten ihren Realismus und ihre Tiefe.
Wir erleben heute bei den Menschen eine neue Sehnsucht nach dem Klösterlichen. Eine wachsende Zahl von Menschen fragt nach Auszeiten in den Orden und ihren Niederlassungen. Kunst und Musik der Klöster, ihre landwirtschaftlichen Produkte, eine Ordensschule oder ein Ordenskrankenhaus erfreuen sich hoher Beliebtheit. Dahinter verbirgt sich wohl auch eine Sehnsucht nach dem Heiligen und nach einer Heilung, die den ganzen Menschen erfasst. In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass Te Deum die sechs großen europäischen Orden in Text und Bild dokumentiert."

"Te Deum Laudamus. Gott, dich loben wir, lautet Luthers Übersetzung aus dem Lateinischen. Früher, 3.-6. Jh., wurde der Hymnus als ein Lobgesang am Ende des Gottesdienstes oder an Festtagen von der Gemeinde gesungen.
Gott, dich loben wir – ein gewagter Titel in einer Zeit, in der Wissenschaft, Forschung, Bildung und die Medien die Gesellschaft nachhaltig verändert haben, in der die tägliche weltweite Informationsflut aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft unser Leben bestimmt und damit für viele Menschen das 'Sein'."
Jürgen Haase (Hg.) – Katho. Fernseharbeit (Sonderpreis "Gelebte Einheit")


Im Jahre 475 besiegelten gewaltige Trecks von germanischen Stämmen das Ende des Weströmischen Reichs.
Die Besetzung Nordafrikas, der Kornkammer Roms, durch die Vandalen führte zum Zusammenbruch der Wirtschaft, zu Hungersnöten und Seuchen. Rom trieb dem Untergang entgegen und drohte, die gesamte abendländische Kultur mit in den Abgrund zu ziehen.
Benedikt von Nursia, Sohn eines römischen Landadeligen, sollte zu jener Zeit in Rom die Kunst der Rhetorik studieren. Schon bald wurde ihm klar, dass es mehr brauchen würde als schöne Reden, um die desolate Welt seiner Zeit wieder in Ordnung zu bringen. Nachdenklich zog er sich an einen einsamen Ort mit dem Namen Subiacus zurück und führte dort in einer Höhle das Leben eines Eremiten. Er kämpfte nicht nur gegen Hunger, Durst, Kälte und die Einsamkeit, sondern auch gegen verlockende Versuchungen, die sein eigentliches Vorhaben immer wieder gefährden sollten – als Eremit zu leben wie die frühen Wüstenväter, die eigentlichen Begründer des christlichen Mönchstums.
Anfang des 4. Jh., zur Zeit der stärksten Christenverfolgungen, hatten sich viele Gläubige in die Wüste geflüchtet. Hier fasteten und meditierten sie in verlassenen Gräbern oder Höhlen und versuchten, fernab von jeglicher Zivilisation eine Verbindung zu Gott herzustellen.
Der damals lebende Wüstenvater Antonius wird heute noch als "Vater der Mönche" bezeichnet. Die Höhle des Benedikt (Sacro Speco) ist im Lauf der Jahrhunderte ein imposantes Heiligtum geworden. Sie ist bis zum heutigen Tag Symbol für den Rückzug des Mönchs von der Welt, für seine Einsamkeit und völlige Hingabe an Gott. [...]

Ob Wahrheit oder Legende – was wir heute über Benedikt wissen, stammt aus der Feder von Papst Gregor dem Großen (540-604), der Benedikt als Held und positive Identifikationsfigur in seinen Schriften Dialoge benutzte, um dem damaligen Sittenverfall entgegenzuwirken.
Nach antik-christlichem Brauch schmückte er Benedikts Lebensgeschichte mit Wundern und Legenden aus.
Die Benediktregel ist der Keim für einen humanistischen Neuanfang inmitten einer Zeit des Niedergangs. Benedikt legte darin Regeln für einen vorbildlichen Umgang der Mönche untereinander sowie deren Tagesablauf fest.
"Ora et labora": Der größte Teil des Tages ist dem Gebet gewidmet oder wird mit Meditation und geistiger Lektüre verbracht. Die freien Zeiten werden als Ausgleich zum Studium und Gebet mit handwerklicher Arbeit ausgefüllt, von der die Mönche ihren Lebensunterhalt bestreiten. Damit wurde mit der im Römischen Reich üblichen Haltung, körperliche Arbeit zu verachten, gebrochen, und es etablierte sich ein neues Arbeitsethos im Abendland.
"Vernimm mein Sohn die Lehren des Meisters und öffne das Ohr deines Herzens": Benedikt appelliert mit diesem Satz an die "Herzkräfte" des Menschen und plädiert für Ordnung und Klarheit, nicht für Zwang oder Befehl. Allerdings strebt er keine starre Ordnung an, sondern eine, die sich immer wieder den neuen Gegebenheiten der Zeit anpassen soll. Diese flexible Ordnung hängt jedoch von einem weiteren Grundsatz der Regel ab, nämlich dem "rechten Maß".
"Es muss vor allem Unmäßigkeit vermieden werden und nie darf sich bei einem Mönch Übersättigung einschleichen." Die in jeglicher Hinsicht maßvolle Haltung Benedikts steht in einem so auffälligen Kontrast zur strengen Askese der Wüstenväter, dass sie als Revolution des Mönchtums gilt.
Die rühmliche Eigenschaft des Maßhaltens, die Ausgeglichenheit von Milde und Strenge sind Grundsätze der benediktinischen Regeln, die bis heute ihre Aussagekraft nicht verloren haben.

"Wir wollen uns Gottes Unterweisung niemals entziehen und in seiner Lehre in dem einen Kloster ausharren bis zum Tod." Die sogenannte "stabilitas loci", der lateinische Begriff für Beständigkeit, macht einen wichtigen innovativen Punkt der Regel aus und kann physisch und psychisch gedeutet werden.
Zum einen unterbindet Benedikt damit die Wanderschaft der Mönche von einem Kloster zum nächsten und appelliert zugleich an einen inneren, seelischen Zustand, der Charakterstärke und Entschlossenheit ausdrückt.

"Der erste Schritt zur Demut ist Gehorsam ohne Zögern.
Es ist die Haltung derer, denen die Liebe zu Christus über alles geht.
Der Gehorsam, den man den Oberen leistet, wird Gott erwiesen."

Im Eigenwillen sieht Benedikt das Verderben des Menschen, im Gehorsam den göttlichen Weg zur Demut. Durch "das richtige Maß" lässt sich für jede Zeit auch das richtige Maß an Gehorsam finden, das zur Demut führt. Der zweite Weg zur Demut ist die Stille.

"Tod und Leben stehen in der Macht der Zunge.
Reden und Lehren kommt dem Meister zu, Schweigen und Hören dem Jünger."

Schweigen heißt loslassen. Wer schweigt, hat bewussten Abstand zu seinen Gedanken, Gefühlen und Stimmungen. Schweigen ist die wahre Sprache der Demut und der Liebe. In dem Maß, in dem der Mönch selbst ein Stück Schweigen wird, trägt er das Echo der Liebe in die Welt. Benedikts liturgische Anordnungen sollen das mystische Gnadenerlebnis vermitteln. Beim gregorianischen Chorgesang, der nur mit wenigen Tönen auskommt, versetzt sich der Mönch in den Geist des Psalmisten, um die geschilderten Gemütszustände mitzuerleben.
Nach liturgischer Tradition bedeutet das Gebet Lob Gottes – die spontane Antwort auf empfangene Güte.
Durch Loben lernt man lieben, und lieben ist Hingabe.

"Nehmt euch in Acht, dass niemals Unmäßigkeit euer Herz belastet." Diese Mahnung Benedikts an die Glaubensbrüder, nicht über das rechte Maß hinauszugehen, blieb im praktischen Ordensleben oftmals ungehört. Der Grund liegt in der Verflechtung machtpolitischer Interessen des Adels und der Kirche.
Da der Adel häufig weder schreiben noch lesen konnte, brauchte er die gebildeten Mönche, um seine Macht zu legitimieren. Diese verfassten Briefe und Urkunden, fungierten als Berater in der Politik und hielten so die geistliche Aufsicht über die Bevölkerung. Für ihre Dienste wurden die Klöster reich beschenkt und immer mehr zu prunkvollen, weltlichen Einrichtungen des Adels, der meist den zweitgeborenen Sohn ins Kloster schickte. Wurde der dort Abt, konnte er aus dieser Position heraus seine Dynastie tatkräftig unterstützen.

Trotz der Empfehlung und Begeisterung Gregors des Großen fand die Benediktregel in Italien zunächst keine große Anhängerschaft. Stärker setzte sie sich in den Ländern nördlich der Alpen und im fränkischen Merowingerreich durch. Dort ging das Klosterwesen auf irische Mönche und den hl. Bonifaz (673-754, volkstümlich bonum + facere: = "der Wohltäter", genauer: "der gutes Schicksal Bringende") zurück, der große Landstriche missioniert hatte.
Immer mehr Adlige wandten sich dem neuen Glauben zu, tauschten Schwert gegen Spaten und traten in Klöster ein. Sie waren jedoch aufgrund ihrer Herkunft und Erziehung dem auf Handarbeit und Selbstversorgung ausgerichteten Leben oft nicht gewachsen, und es fehlte ihnen eine klare Richtlinie. Erst mit Hilfe der Benediktregel gelang es Karl dem Großen (768-814), diese Klöster zu festigen und zu Stützpunkten seiner Machtausbreitung zu machen ("seit dem 25. Dezember 800 Römischer Kaiser"). Karl ließ eine Abschrift des authentischen Regeltextes aus Monte Cassino fertigen, die in Aachen hinterlegt und zur offiziellen Regel für alle Klöster wurde.
Die neuen Reichsklöster wurden in der Folge zu besonderen Zentren hinsichtlich Verkehr, Wirtschaft und Kultur. Sie organisierten die erste Welle fränkischer Kolonialisierung und förderten mit der Weitergabe ihres Wissens, was Landwirtschaft und Gartenkultur betraf, erheblich die Entwicklung des Landes. Aus diesem Grund spricht man noch heute von Karls "Österreich".

Die einzigen noch erhaltenen Abschriften der Benediktregel aus dieser Zeit sind in der Bibliothek des ehemaligen Kloster St. Gallen aufbewahrt. Im 9. und 10. Jh. war die ehemalige Benediktinerabtei St. Gallen bedeutendstes Kulturzentrum des karolingischen Reichs. Der Sohn Karls des Großen, Ludwig der Fromme (813-840), vollendete das Werk seines Vaters und verfügte, dass Klöster zur Kulturklöstern werden sollten, die Schulen eröffneten, Bibliotheken und Handwerksbetriebe errichteten, Gottesdienste abhielten und Seelsorge betrieben. Auf diese Weise gab die karolingische Klosterreform dem benediktinischen Mönchtum die Möglichkeit, lange Zeit die Kultur in Europa zu prägen.
Von dem ursprünglichen benediktinischen Gedanken der Zurückgezogenheit hatten sich derartig organisierte Großklöster allerdings entfremdet. Immer mehr passte sich der Orden der Zeit und ihren Machtverhältnissen an.

Während in ganz Europa immer mehr und immer prunkvollere Klöster entstanden, setzte mit der Gründung von Cluny in Burgund im Jahre 920 eine Wende ein. Man griff wieder auf das ursprüngliche, mehr kontemplativ ausgerichtete Mönchsideal zurück, wie es Benedikt gelehrt hatte. Cluny wurde damit zum Ausgangspunkt einer der größten Klosterreformen und zum einflussreichsten religiösen Zentrum des Mittelalters. Allerdings taumelten die Cluniazenser bald von einem Extrem ins andere. So betete bald jeder von ihnen 215 Psalmen am Tag (nach Benedikt sind 37 vorgesehen). Die Arbeit wurde vernachlässigt und von Laien erledigt. Neben ihren Liturgien pflegten sie einen fast heidnischen Totenkult und entfernen sich immer mehr von der Realität, was letztlich zur Überschreitung ihrer finanziellen Möglichkeiten führte. "Das rechte Maß" war überschritten.

Der Grundriss der ersten Kirche von Cluny reproduzierte das Kreuz Jesu Christi. Hundert Jahre später entwickelte sich auf dieser Basis ein ergänzender Kirchenneubau mit riesigen Dimensionen, versehen mit einem doppelten Querhaus, einer monumentalen Höhe, einem fünfschiffigen Langhaus und acht Türmen.
Die Abtei von Cluny wurde zum Vorbild für die zahlreichen benediktinischen Kirchen des 11. und 12. Jh.s.
Der opulente mächtige Bau vertrat durch sein prachtvolles Erscheinungsbild den höchsten Machtanspruch einer kirchlichen Hierarchie, die unmittelbar nur dem Papst unterstellt war.
Im 12. Jh. begann der Niedergang Clunys, nicht zuletzt verursacht durch Bernhard von Clairvaux, der heftige Kritik am Leben des Klosters übte und später die Reformbewegung der Zisterzienser einleitete. Auch die Gründungen der Franziskaner und Dominikaner im 12. und 13. Jh., die sich in den aufstrebenden Städten niederließen, waren für das neue Bürgertum nun interessantere Ansprechpartner als die saturierten Benediktiner.
Die Reformation sorgte schließlich dafür, dass die meisten Klöster in den protestantisch gewordenen Fürstentümern aufgehoben wurden. In den verbliebenen katholischen verloren sie mit der Einführung absolutistischer Staatsformen vollständig an Macht. Wissen und die Weitergabe von Wissen verlagerte sich mehr und mehr an die Höfe und Universitäten.
In der Zeit der Gegenreformation im 17. Jh. entstand die Kunstform des Barock, die durch üppige Prachtentfaltung als Antwort auf das Leid des 30-jährigen Krieges (1618-1648) gekennzeichnet war. Die Klöster wurden erneut zu Keimzellen von Kultur und Wirtschaft, was dazu führte, dass das Benediktinertum in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz eine Blüte erlebte wie nie zuvor seit dem Hochmittelalter.

In Frankreich versetzte die Französische Revolution und die darauf folgende Säkularisierung sämtlichen Kirchenbesitzes dem Klosterleben einen schweren Schlag. Cluny wurde bis auf die Grundmauern niedergerissen und sämtliche Besitztümer und Ländereien an das Bürgertum veräußert. Unter Napoleon (1769-1821) jedoch fand wieder eine langsame Renaissance statt, denn der Feldherr musste sich als guter Katholik zeigen, um den Papst davon zu überzeugen, ihn zum Kaiser zu krönen. Allerdings wurden im Zuge der Napoleonischen Eroberungskriege Eigentum und Ländereien der Klöster erneut dazu verwendet, die Kriegskasse aufzubessern. Diesem Beispiel folgten Deutschland, die Schweiz und Österreich, wo die Säkularisierung während des Kulturkampfes oft auch mit Gewalt vorangetrieben wurde. 1805 wurde das Benediktinerkloster in St. Gallen aufgelöst, 1807 das in Melk. In Deutschland sorgte Bismarck später während des Kulturkampfes für die Schließung von 180 Klöstern (Klostersturm). Bücher und Kunstbestände wurden verschleudert und vernichtet, wertvolle Bibliotheken dem Staat zugeführt. Intellektuelle und Politiker griffen das Mönchtum generell an. Eine solche Lebensform widerspräche der Vernunft, den Menschenrechten und der Natur.
So drangen gegen Ende des 19. Jh.s die Denkweisen der Aufklärung auch hinter viele Klostermauern und führten bei jungen Mönchen und Nonnen zu Zweifeln an der eigenen Bestimmung. Der aufgeklärte Mensch sollte nicht mehr an Vorgaben der Obrigkeiten oder konventionelle Zwänge gebunden sein, sondern sein Leben und Denken selbst bestimmen. Das Chorgebet wurde zur lästigen Pflicht, die keinen geistlichen Gewinn mehr brachte. In Österreich war es während des Josephinismus sogar als gesundheitsschädigend verboten.

Das Kloster Ettal wurde gegen Ende des 12. Jh.s von Ludwig IV. erbaut. Der primäre Beweggrund war wahrscheinlich handelspolitischer Natur: die Erschließung und Sicherung der Handelsstraße von Augsburg nach Verona. Ludwig IV. konzipierte jedoch kein gewöhnliches Kloster, sondern plante, ein "Stift mit kaiserlichen Statuten für verehelichte Ritter" daran anzuschließen. Mit dem Tod des Kaisers 1347 wurde dem Kloster jedoch ein Teil der Dotationen durch den Herzog entzogen, bald darauf wurde der Ritterkonvent aufgelöst. Der weiter bestehende Mönchskonvent erhielt 1368 die kirchliche Bestätigung. Zu Beginn des 17. Jh.s mit der Gründung des Klostergasthofs und der Brauerei gewann das Kloster zunehmend an Bedeutung, nachdem die Bergstraße von Oberau nach Ettal ausgebaut worden war. Mit der Säkularisation im 19. Jh. jedoch schien das klösterliche Leben in Ettal zu erlöschen. Teile des Gebäudes wurden abgerissen, und das Kloster wechselte vor seiner Wiederbegründung 1900 mehrmals den Besitzer. Heute gehören wieder 55 Mitglieder zum Konvent, zu deren Hauptaufgaben nach dem Gotteslob die Jugenderziehung in Schule und Internat zählt. Außerdem sorgt eine Vielzahl von Betrieben für die Grundversorgung und Erhaltung des Klosters: eine Bäckerei, ein Klosterladen, ein Buch- und Kunstverlag, eine Brauerei und Destillerie, eine Gärtnerei, Land- und Forstwirtschaft, ein Hotel, Ferienwohnungen, eine Schneiderei, Schreinerei, Schlosserei, Wäscherei sowie ein eigenes Elektrizitätswerk. Damit zählt das Kloster gleichzeitig zu den größten Arbeitgebern in der Umgebung. Aus dem ursprünglichen Bestreben nach Autarkie und Selbstversorgung, wie in der Benediktregel festgelegt, hat sich ein ausgeprägter merkantiler Sinn entwickelt, der die Benediktiner wahrscheinlich auch im nächsten Jahrhundert überleben lassen wird.

Die Erzabtei St. Ottilien in Oberbayern wurde 1884 von dem Beuroner Benediktiner Andreas Amrein gegründet, der dem Kolonialgeist jener Zeit folgend das benediktinische Leben mit der Missionstätigkeit verbinden wollte. Bis heute ist es die wichtigste Aufgabe der Missionsbenediktiner von St. Ottilien, junge Kirchen im Aufbau zu unterstützen und benediktinisches Klosterleben in überseeischen Ländern zu fördern.
Erst im Sommer 2008 unterrichtete Erzabt Jeremias Schröder sechzig chinesische Novizen, die für einige Monate in St. Ottilien lebten, um hier in das Ordensdasein eingewiesen zu werden.
Seit Beginn der Missionsarbeit schickten entsandte Benediktiner aus Süd- und Ostafrika, Korea und der Mandschurei ethnologische und zoologische Stücke an ihr Ordenshaus in Bayern. Das daraus entstandene Missionsmuseum thematisiert die Tierwelt Afrikas und des fernen Ostens, gibt Einblicke in afrikanische Stammesreligionen, Ahnenkulte und Zauberei sowie in die Bräuche des Buddhismus.

Die Abtei St. Hildegard in Bingen im Rheingau ist im byzantinisch anmutenden "Beuroner Stil" gebaut. Es ist das Nachfolgekloster der heiligen Hildegard von Bingen (1098-1179), der wohl bekanntesten Benediktinerin. Als zehntes Kind einer adligen Familie geboren, wurde sie schon mit sechs Jahren von ihren Eltern in das Kloster Disibodenberg in die Frauenklause der Benediktiner gebracht. Dort beschäftigte sie sich mit der Psyche und Anatomie des Menschen, sowie mit Kräuterkunde und entwickelte neue Behandlungsmethoden für Kranke. Mit vierzig Jahren gründete sie ihr eigenes Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen – für eine Frau dieser Zeit ein revolutionärer Schritt. Sie sah sich selbst als Prophetin und wurde "die Posaune Gottes" genannt. Immer mehr junge Frauen, vor allem aus dem Adel, fühlten sich von ihr angezogen und traten in den Orden ein. Einerseits strebten sie nach Bildung, andererseits wollten sie sich nicht der üblichen Heiratspolitik unterwerfen. [...]
Die Klostermedizin wurzelt in dem Leitsatz:

"Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen.
Man soll ihnen so dienen, als seien sie wirklich Christus."

Vieles, was für uns heute selbstverständlich ist wie Salbei gegen Husten oder Kamillentee bei Magenschmerzen wurde in den Klöstern des Mittelalters entdeckt. Mit den alten Rezepturen der Mönche und Nonnen wurde nicht nur das einfache Volk behandelt, sondern auch Könige und Fürsten. Ein berühmter Mönchsarzt neben Walahfried Strabo war Pater Notker von St. Gallen. Sein Hortulus beschreibt, besser besingt, in 444 lateinischen Hexametern den Aufbau eines idealen Kräutergartens sowie 24 Heilpflanzen in ihrer Gestaltung und Heilwirkung.
Man fand auch heraus, dass traditionelle Ernährungs- und Gesundheitsregeln aus den Klöstern gemeinsame Wurzeln mit der ayurvedischen Lehre und der chinesischen Medizin haben.

Anselm Grün, Benediktiner aus dem Kloster Münsterschwarzach, ist einer der erfolgreichsten zeitgenössischen, spirituellen Autoren im In- und Ausland. Sein Buch "Menschen führen – Leben wecken", in dem Führung – egal ob sie in den Händen eines Abts oder Managers eines Konzerns liegt – als spirituelle Aufgabe definiert wird, ist ein Dauerseller. Ein Hinweis aus der Benediktregel, "man verlange von den Schwachen nur so viel, dass sie sich nicht überfordert wühlen und von den Starken so viel, dass sie sich nicht unterfordert fühlen," könnte aus einem aktuellen Management-Coaching stammen.
Anselm Grün gibt heute weltweit Seminare zum Thema Führungsqualitäten auch in großen Unternehmen.
Ein anderer Weiter- bzw. Querdenker der Benediktiner ist Willigis Jäger, der gleichzeitig christlicher Mönch, Zenmeister der Sanbo-Kyodan-Linie und Mystiker ist. Unter dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger wurde ihm vorgeworfen, Glaubenswahrheiten persönlichen Erfahrungen untergeordnet zu haben, und man erteilte ihm nicht nur ein Rede- und Schreibverbot, sondern untersagte ihm zugleich öffentliche Auftritte. Daraufhin bat er, exklaustriert zu werden und arbeitet seitdem als spiritueller Leiter und Lehrer auf dem Benediktushof, einem Meditations- und Seminarzentrum bei Würzburg. Alle dort angebotenen Kurse verfolgen das Ziel, Kontemplation und Mystik in östlichen wie westlichen Religionen wiederzubeleben.

Alle benediktinischen Kongregationen sind heute in der benediktinischen Konförderation zusammengeschlossen, deren geistiger Mittelpunkt das Kolleg St. Anselm in Rom ist, wo der Abtprimas residiert. St. Anselm ist auch Sitz der einzigen philosophisch-theologischen Hochschule, die vom Gesamtorden der Benediktiner getragen wird. Heute gibt es im deutschsprachigen Raum 59 Männer- und 43 Frauenklöster der Benediktiner. Weltweit sind es über 40.000 Mönche und Nonnen, die zur benediktinischen Ordensfamilie gehören.

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