October 6, 2010

Inquisition – Die Ausweitung der Kampfzone



Sean Martin 2008: Die Katharer – Ihre Geheimnisse und ihre Geschichte
pt 1 & pt 3


S. 100) Der Judenstern im 13. Jh.

Das Vierte Laterankonzil im November 1215 war für Jahrhunderte die größte Zusammenkunft von Geistlichen. Bei den vorangegangenen Konzilen in den Jahren 1123, 1139 und 1179 war Häresie nur beim letzten ein Thema gewesen. Damals war man zu dem Schluss gelangt, dass Gewalt zu ihrer Bekämpfung legitim sei. Zum Zeitpunkt des Vierten Laterankonzils war diese Gewalt seit sechs langen und blutigen Jahren angewendet worden. Alle wichtigen Persönlichkeiten des Albigenserkreuzzuges, abgesehen von Simon von Montfort und den Perfecti, waren in Rom. Selbst jener Veteran der Exkommunikation Raymond VI. war in der Stadt. Ebenso wie der ängstliche Raymond Roger von Foix. Beide wollten mit dem Papst über die Zukunft des Languedoc verhandeln.

Nachdem einen Monat lang andere Angelegenheiten diskutiert worden waren – darunter die Vorbereitungen für den fünften Kreuzzug und die Entscheidung, alle Juden und Moslems zum Tragen eines gelben Abzeichens zu zwingen, um sie von den Christen unterscheiden zu können – fand Innozenz endlich Zeit, sich der Situation im Languedoc zuzuwenden, die wie üblich ernst war. Zu Beginn der Gespräche attackierte Fulko von Marseilles, der Bischof von Toulouse, Raymond Roger von Foix, weil er Katharer auf seinem Land duldete und für seine Rolle bei dem Massaker der Kreuzzügler in Montgey. Raymond Roger beschimpfte Fulko seinerseits und erklärte, es tue ihm lediglich leid, dass er nicht mehr Kreuzzügler getötet habe. Daraufhin beschloss Innozenz, dass Simon von Montfort alle seine Ländereien im Languedoc behalten durfte.



S. 102 ff.) Simons Fehler

Als die Entscheidung des Papstes in Toulouse bekannt wurde, gab es einen Aufruhr. Dem verhassten Montfort sollte der Zutritt zur Stadt verweigert werden. Der Widerstand wurde durch den unerwarteten militärischen Sieg von Raymond dem Jüngeren gestärkt, der die von den Kreuzzüglern besetzte Stadt Beaucaire einnahm.
Dann starb Innozenz unerwartet am 16. Juli 1216, und es sah so aus, als ob sich das Blatt zugunsten des Südens wenden könnte.
Simons Reaktion auf die Revolte in Toulouse war schnell und brutal. Unterstützt wurde er von Fulko von Toulouse, der die Würdenträger der Stadt überredete, über eine mögliche Einigung außerhalb der Stadtmauern zu diskutieren. Entweder war Fulko äußerst überzeugend oder sie hatten vergessen, was Raymond Roger Trencavel in Carcassonne passiert war. Auf jeden Fall verließen sie die Sicherheit der Stadtmauern und wurden, kaum dass sie Simons Lager erreicht hatten, in Ketten gelegt. Da nun niemand übrig war, um die Verteidigung von Toulouse zu koordinieren, fiel die Stadt schon nach kurzer Zeit den Kreuzfahrern in die Hände, die sie einen Monat lang plünderten. Damit nicht genug, verhängte Simon auch noch exorbitante Steuern.

Doch dann beging Simon einen fatalen Fehler. Obwohl Arnold Amaury ihn kurz zuvor wegen seines brutalen Vorgehens in Narbonne exkommuniziert hatte, trat Simon weiterhin als Vertreter der Kirche auf und verließ Toulouse, um die Adligen der Provence zu drangsalieren. Er ließ zwar eine Garnison in der Stadt zurück, doch die Toulouser begannen sofort, Waffen zu horten und den Sturz des verhassten Tyrannen zu planen.
Am 13. September 1217 kehrte Raymond VI. im Schutz eines nebligen Morgens in die Stadt zurück und wurde von der Bevölkerung begeistert empfangen. Obwohl Raymond ein fast schon notorisch schlechter Militärkommandant war, fühlten die Toulouser die Rettung nahen. Raymond ordnete sofort die erneute Befestigung der Stadt an, und Simons Garnison wurde vernichtet.
Als Simon davon erfuhr, eilte er nach Toulouse zurück, um die Stadt rasch wieder in seine Gewalt zu bringen. Doch obwohl Verstärkung aus dem Norden anrückte, konnten Simons Streitkräfte die Stadtmauern nicht durchbrechen. Diese Pattsituation dauerte neun Monate, bis die Kreuzfahrer im Juni 1218 schließlich Belagerungsmaschinen einsetzten, um die Stadtmauern zu durchbrechen.
Am 25. Juni, während Simon an der Seite seiner Belagerungsmaschinisten kämpfte, wurde sein Kopf von einem Stein zerschmettert, der dem Feind mit einem Katapult entgegengeschleudert worden war. Gemäß der Tradition war dieses Katapult von Frauen und Mädchen bedient worden. Der meistgehasste Mann des Languedoc war tot.

Simons Tod war der Anfang vom Ende einer der düstersten Epochen im Westen.
Die meisten anderen Protagonisten starben bald nach ihm: Domingo de Guzmán 1221 (1234 wurde er heilig gesprochen), Raymond VI. 1222, König Philipp II. August von Frankreich 1223, im selben Jahr wie Raymond Roger von Foix. Arnold Amaury schließlich starb 1225.

S. 106) In dieser Zeit begannen die Perfecti wieder aufzutauchen. Jene, die Simon von Montfort überlebt hatten, hatten sich in Höhlen oder in den pyrenäischen Burgen Montségur und Quéribus versteckt.
Im Jahr 1223 ließ der katharische Bischof von Carcassonne, Peter Isarn, Kopien von den Aufzeichnungen des Konzils von Saint-Félix anfertigen, sodass er nach den Verheerungen des Albigenserkreuzzugs seine Diözesangrenzen wieder festlegen konnte.
Im Jahr 1226 fand in Pieusse ein weiteres großes Zusammentreffen von Katharern statt.
Es war nicht so maßgeblich wie das in Saint-Félix, doch dass es überhaupt zustande kam, zeigte, dass die katharische Kirche überlebt hatte und selbstbewusst genug war, um ihr Wirken wiederaufzunehmen. Doch der Friede sollte nicht andauern.

S. 110 f.) Ende der 1220er Jahre verkam der Kreuzzug zu einer immer wieder unterbrochenen Abfolge von Schlachten zwischen den Kreuzzüglern und den Adligen. Diese Situation hätte sich noch lange hinziehen können, wären die Kreuzfahrer 1228 nicht zu einer extremen Politik der verbrannten Erde übergegangen. Sie waren jedoch viel gründlicher als Raymond Roger Trencavel 1209 in Carcassonne und zerstörten das Land um Toulouse bis auf den letzten Grashalm: Felder wurden niedergebrannt, Obstbäume gefällt, Wasserquellen vergiftet.
Anfang 1229 blieb Raymond keine Wahl mehr: Er musste um Frieden bitten. Am 12. April 1229 wiederholte sich die Geschichte. Raymond VII. wurde wie sein Vater öffentlich gegeißelt. Die Abmachung, unter der die Geißelung stattfand, wurde als Friede von Paris bekannt.
Die Kirche und der König hatten den Grafen von Toulouse in der Zange.

Raymonds Ländereien wurden von der französischen Krone beschlagnahmt. Man ließ ihm nur Toulouse und ein paar kleinere Städte, die er bis an sein Lebensende behalten durfte.
Außerdem musste er sein einziges Kind, eine neun Jahre alte Tochter, mit einem der jüngeren Brüder Ludwigs verheiraten. Ferner musste er eine neue Universität in Toulouse gründen und finanzieren, in der von der Kirche genehmigte Theologen neue Geistliche in der wahren Lehre unterweisen würden.

So endete der Albigenserkreuzzug. Nach zwanzig Jahren des Kriegs kehrte das Leben im Languedoc langsam zur Normalität zurück, doch die Aufforderung des hl. Bernhard, die "kleinen Füchse" zu fangen, bevor sie den Weinberg aufwühlten, schien nun zutiefst ironisch: Der Weingarten des Languedoc war tatsächlich aufgewühlt, doch die Zerstörung war nicht das Werk der kleinen Füchse gewesen. Obwohl sie es damals noch nicht wissen konnten, hatten die kriegsmüden Bewohner des Languedoc – Katharer wie Katholiken – wenig Zeit, sich am Frieden zu erfreuen, bevor ein neuer Terror über sie hereinbrach: die Inquisition.



S. 116) Inquisition als Instrument gegen Individuen

Während französische Truppen das Languedoc verwüsteten, wurde im Lateranpalast eine andere Art der Zerstörung geplant. Papst Honorius war 1227 gestorben, und sein Nachfolger, Gregor IX., war einer von Innozenz' Neffen und ebenso wie dieser an Rechtsfragen interessiert.
Gregor erkannte, dass die Kirche, wenn sie die Katharer ausrotten wollte, nicht nur militärisch gegen sie vorgehen musste, sondern auch ein Instrument brauchte, um Individuen zu verfolgen.
Es war offensichtlich, dass die Dualisten im Languedoc und anderen Teilen Europas immer noch aktiv waren, und die Entdeckung von Katharern in Rom im Jahr 1231 kann Gregor in seinem Entschluss nur bestärkt haben.

Die Inquisition beruhte auf Vorgehensweisen, die unter Innozenz eingeführt worden waren, um gegen abtrünnige Priester vorzugehen.
Was ursprünglich als Methode gedacht war, um den Klerus auf Linie zu halten, sollte "eine der wirkungsvollsten Methoden der Gedankenkontrolle, die Europa je gekannt hat," werden.


S. 118) Die Inquisition begann im Rheinland.
Der oberste Inquisitor, Konrad von Marburg, fand Häresie, wo immer er sie suchte.
Mit seinen undifferenzierten Methoden machte er sich viele Feinde, darunter auch die Erzbischöfe von Trier und Mainz. Schließlich wurde er von einem empörten Franziskanermönch umgebracht.
Gregor schien die Beschwerden über Konrad ernst genommen zu haben. Er erkannte, dass die Inquisition, wenn sie erfolgreich sein sollte, wesentlich methodischer und gründlicher vorgehen musste.
Im Frühjahr 1233 wurden Inquisitoren in Toulouse, Albi und Carcassonne ernannt. Ihre Ankunft im Süden war der eigentliche Beginn der Inquisition, die für die nächsten hundert Jahre ein grausamer Bestandteil des Lebens der Bewohner im Languedoc bleiben sollte.


Bildunterschriften)
Der hl. Dominikus überwacht die Verbrennung katharischer Schriften während des Albigenserkreuzzugs, um sicherzustellen, dass von ihren schriftlichen Lehren keine Spur blieb.
Der hl. Dominikus überwacht die Verbrennung von Ketzern. Bilder wie dieses sollten die Menschen ermahnen, die kirchlichen Lehren zu befolgen.
Papst Gregor IX. intensivierte den Feldzug gegen die Katharer mithilfe der Dominikaner.
Der Franziskanerorden, der zur Zeit von Franz von Assisi als besonders mildtätig galt, erwies sich bei der Verfolgung der Katharer als ebenso gnadenlos wie der Dominikanerorden.

Die Kathedrale von Albi ist bis heute ein Symbol für die Verfolgung von Häretikern durch die Kirche in Rom.
Die Mönche des Zisterzienserkloster in Moissac gewährten von der Inquisition verfolgten Katharern Zuflucht.
Das heutige Narbonne, wo die verfolgten Katharer sich gegen die Inquisition zur Wehr setzten und ein Dominikanerkloster plünderten.
Als Montségur 1244 fiel, wurden über 200 Katharer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Die Inquisition verlangte ihren Opfern vor der Hinrichtung ein Eingeständnis ihrer Schuld ab. Ein Vorgehen, das in repressiven Regimen bis heute üblich ist.
Der Erzbischof von Narbonne, Bernhard de Farges, ordnete 1321 die Verbrennung des letzten Präfekten der Katharer, Guillaume Bélibaste, auf dem Scheiterhaufen an.

Laut einer der geheimen Lehren der Katharer war Maria Magdalena die Frau Jesu – eine Theorie, die sich in letzter Zeit großer Beliebtheit erfreut.
Laut einer anderen populären Theorie ist der Gral der Kelch, in dem Christi Blut aufgefangen wurde, und zwar nach der Hochzeit von Kanaan, und nicht am Kalvarienberg.

0 comments: