November 20, 2010

Personifizierte Unschuld des Mystischen Leibes



Daniel Goldhagen 2003: Die Katholische Kirche und der Holocaust

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(Die katholischen Bischöfe der Vereinigten Staaten, die in einer weitaus pluralistischeren und weniger antisemitischen Gesellschaft lebten, erkannten in dem Angriff auf die Juden das Verbrechen, das er war. In einem Hirtenbrief erklärten die amerikanischen Bischöfe im November 1942 den amerikanischen Katholiken:

"Seit dem mörderischen Angriff auf Polen, gänzlich bar jeden Anscheins von Menschlichkeit, gab es die vorsätzliche und systematische Ausrottung des Volkes dieser Nation. Dieselbe satanische Technik wird gegen viele andere Völker angewandt. Wir haben eine tiefe Abscheu gegen die grausamen Demütigungen, die über die Juden in den eroberten Ländern gehäuft werden und über die wehrlosen Menschen, die nicht unseres Glaubens sind."

[...] H.H. Henrix, W. Kraus , "Die Kirchen und das Judentum" [...] Da die amerikanischen katholischen Bischöfe, anders als der Vatikan, den Nationalsozialismus als unverbesserlich böse einstuften, nahmen sie eine kritische Haltung zur Neutralität des Vatikans ein, die mit Anpassung und Kooperation mit dem Nationalsozialismus einherging. Der Nationalsozialismus und seine Verbündeten hätten sich, wie es in diesem Hirtenbrief heißt, "in der Kriegsführung zusammengeschlossen, um eine Sklavenwelt zu errichten." Der "prinzipielle Gegensatz" zum Nationalsozialismus mache "einen Kompromiss unmöglich", erklärten sie in einer fast unverhüllten Rüge am Vatikan. Siehe Gerald P. Fogarty SJ, "The Vatican and the American Hierarchy from 1870 to 1965", Stuttgart 1982, S. 286 f. 05/02'05 "Pope Pius XII and the Holocaust – A Dialogue Toward Consensus and Healing")



S. 155 ff.) Die Dänisch-Lutherische Staatskirche und das dänische Volk

Katholischen Geistlichen und Nonnen, die aus eigener Initiative handelten und keinerlei Unterstützung von Seiten des Vatikans oder ihrer nationalen Kirchenführung erfuhren, gelang es mühelos, in nur einem Bruchteil der in die Zehntausende gehenden Kirchen und anderen kirchlichen Einrichtungen in ganz Europa Zehntausende von Juden zu verstecken, v.a. jüdische Kinder, von denen viele christlich getauft wurden. Die Amtskirche unternahm dagegen nur an zwei Orten Rettungsversuche auf Diözesanebene: in Berlin unter der Führung von Bischof Konrad Preysing und in Italien, wo viele Bischöfe und Priester Netzwerke bildeten, um Juden zu retten. In Italien und in anderen Ländern haben Priester und Laien heroisch gehandelt. Sogar im Vatikan haben Kleriker Juden versteckt.
Es gibt Grund zu der Annahme, dass der Papst dies zumindest eine Zeit lang geduldet hat, wenngleich er es nicht veranlasst oder gefördert hat. Es ist unklar, welche Rolle der Papst bei der berüchtigten Verfügung vom Frühjahr 1944 gespielt hat, alle "Nicht-Kleriker" aus den vatikanischen Besitzungen hinauszuwerfen, die zwar nicht strikt befolgt wurde, aber doch dazu führte, dass Juden vor die Tür gesetzt wurden. Man kann sich jedenfalls kaum vorstellen, dass es zu der von seinen direkten Untergebenen erlassenen Verfügung überhaupt gekommen wäre, wenn der Papst ein wirklicher Freund der Juden gewesen wäre. Im übrigen katholischen Europa waren die Bischöfe im Allgemeinen nicht gewillt, den Juden zu helfen. Michael Phayer kommt zu dem Schluss, dass "die Diözesanstruktur der Kirche in allen europäischen Ländern außer Polen intakt war, aber nicht von dem Geist und der Kraft erfüllt, die in Italien und Berlin zu finden waren."

(Als Darstellung der Rettung von Juden durch Katholiken, Geistliche wie Laien, siehe Phayer, "The Catholic Church and the Holocaust", S. 111-132, bes. S. 124 ff. Zur katholischen Kirche Italiens siehe Zuccotti, "The Italians and the Holocaust – Persecution, Rescue, Survival", New York 1987, S. 207-217. Zuccotti weist darauf hin, dass die Deutschen und ihre italienischen Helfer während der deutschen Besatzung über 170 Priester töteten, weil sie im Widerstand aktiv waren und Antifaschisten sowie Juden geholfen hatten. Die Zahl derer, die Juden geholfen hatten, wird nicht genannt und ist möglicherweise unbekannt. Phayer nennt die Zahl 170 und gibt zu verstehen, alle Priester seien getötet worden, weil sie Juden geholfen hatten, obwohl er Zuccotti als seine Quelle nennt.
Zur vatikanischen Ausweisungsverfügung siehe Zuccotti, UHVW, S. 224-232.)

Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Während die katholische Kirche insgesamt ebenso wie die Mehrheit der gewöhnlichen Deutschen, Katholiken wie Protestanten, gegenüber den Juden nicht richtig gehandelt haben, haben die dänische Kirche und das dänische Volk sich gegenüber den Juden vorbildlich verhalten. Ebenso deutlich liegt die Ursache dieses unterschiedlichen Verhaltens auf der Hand. Für die Dänisch-Lutherische Staatskirche und das dänische Volk waren die Juden unschuldig. Darum haben sie sie als Menschen verteidigt und nicht bloß als die verachteten Objekte einer allzu strengen und moralisch unzulässigen Bestrafung. Sie haben sie nicht erst im letzten Moment verteidigt – unmittelbar vor ihrem Abtransport und ihrer Ermordung durch die Deutschen oder nachdem die Deutschen und ihre Helfer in ganz Europa bereits Millionen umgebracht hatten – sondern vom ersten Augenblick an, sofort nach der Besetzung Dänemarks durch die Deutschen.
Schon die ersten Maßnahmen der Ausschaltungspolitik haben die Dänen weder unterstützt noch hingenommen, sie haben nicht einfach zugeschaut, sie sind nicht stumm geblieben, und sie haben nicht zugelassen, dass die Deutschen solche Maßnahmen durchsetzten.
(Angesichts des in Italien relativ schwach ausgeprägten Antisemitismus war es auch für viele italienische Geistliche und gewöhnliche Italiener eine Selbstverständlichkeit, gegen die Vernichtung der Juden Widerstand zu leisten.
Siehe Zuccotti, "The Italians and the Holocaust", S. 278-282.)
Das alles taten sie, weil die Juden unschuldig waren. Und als es gefährlich wurde, erhoben sich die Dänen mühelos und umgehend, um die Juden zu schützen, und sie halfen ihnen mit Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Eifer.
Und ihre Rettungsmaßnahmen waren bekanntlich von Erfolg gekrönt.


Tief sitzender spirituell-politischer Antisemitismus


Die unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Handlungen und Unterlassungen auf Seiten des katho. Klerus werden nur dann verständlich, wenn wir die Ansichten der katho. Kirchenmänner über die Schuld oder Unschuld der Juden und ihre Ansichten über die Gerechtigkeit der sich verschärfenden Bestrafungsmaßnahmen in ihrem komplizierten Zusammenspiel berücksichtigen. Dabei haben natürlich auch andere Faktoren, z.B. die politischen Erwägungen dieser politischen Kirche, zur Ausgestaltung des Gesamtmusters beigetragen. Diese anderen Faktoren, etwa der Antibolschewismus des Papstes, seine behauptete Sorge um die Sicherheit der Kirche und seine angebliche persönliche Schüchternheit, werden aber entweder durch die Tatsachen widerlegt, oder sie steuern nicht das Geringste zur Erklärung des Gesamtverhaltens der Kirche bei – also der Handlungen des Papstes, der nationalen Kirchen und ihrer Geistlichen, die vermutlich nicht alle genauso schüchtern waren wie, vermeintlich, der Papst. Keiner dieser Faktoren vermag eine der grundlegenden und zentralen Tatsachen dieser Zeit größter Gefahr für Juden zu erklären: dass der Papst, die Kirche insgesamt mit ihren nationalen Kirchen und Geistlichen weiterhin Antisemitismus verbreiteten. Wenn wir an das Verhalten der Dänisch-Lutherischen Kirche und ihrer Geistlichen denken, klingen all diese vorgeschlagenen Erklärungen für das vielfältige Versagen der katholischen Kirche und ihres Klerus albern. Allein die bei der katholischen Kirche und ihrem Klerus herrschenden Ansichten über die Schuld der Juden und die Gerechtigkeit der jeweiligen Strafen vermögen ihr allgemeines Handlungsmuster zu erklären. Diesen Ansichten aber lag der tief sitzende Antisemitismus der Kirche und ihrer Geistlichkeit zu Grunde.



S. 157-161) Der Trick das Unglaubliche zu glauben

Eine moralische Beurteilung beruht auf vier Vorstellungen:
1. Dass Menschen für ihr Handeln verantwortlich sind.
2. Dass wir berechtigt sind, das Handeln anderer zu beurteilen.
3. Dass wir dafür angemessene und klare Kriterien besitzen müssen.
4. Dass unsere Urteile in ihren Schlussfolgerungen transparent sein müssen.

Die Kirche und ihre Mitglieder, vom Papst bis hinunter zu den Gemeindepfarrern und ihren Gemeindegliedern, waren, wie andere Menschen auch, frei Handelnde. Handlungsfreiheit ist die Fähigkeit eines Menschen, zu erkennen, zu beurteilen, ob etwas seinen Moralvorstellungen zufolge richtig ist, und entsprechend zu handeln.
Es ist die Fähigkeit, Nein zu sagen. Auch die katho. Kirche ist der Meinung, dass Menschen moralisch Handelnde sind. Ihre grundlegende Lehre von der "Freiheit" oder dem "freien Willen" – "die in Verstand und Willen verwurzelte Fähigkeit, zu handeln oder nicht zu handeln, dieses oder jenes zu tun und so von sich aus bewusste Handlungen zu setzen" – ist nur eine andere Bezeichnung für Handlungsfreiheit.
Grundsätzlich, philosophisch und theologisch, kann die Handlungsfreiheit der Kirche und ihrer Mitglieder nicht geleugnet werden. In der Praxis hatten die Kirche und ihre Geistlichen im Großen und Ganzen umfassende Möglichkeiten zu handeln, ohne sehr zu leiden. In vielen ihrer Handlungen waren sie vollkommen frei, etwa in der Frage, ob sie den Katholiken weiterhin Antisemitismus vermitteln wollten. [...]
Auch die katho. Kirche ist der Meinung, dass "der Mensch aufgrund seiner Freiheit für seine Taten verantwortlich ist," soweit er willentlich handelt. (Katechismus, "Die Freiheit des Menschen", §§ 1730-48)

Zweitens sind wir, die wir nicht zu den Akteuren von damals gehören und nicht "in ihrer Haut stecken", berechtigt und verpflichtet, über Lob oder Tadel zu entscheiden. Es ist sonderbar, wenn jemand etwas anderes behauptet. Wir urteilen im Alltag ständig über andere: [...] die Täter, die mit dem Anschlag vom 11. September Massenmord begangen haben [...] Pater Peter Gumpel SJ, der in Sachen Pius XII. im Grunde der amtliche Berichterstatter der Kirche ist, lobt ihn nicht nur, sondern beurteilt ihn als einen Heiligen.
Und wenn Pater Gumpel und andere die Kritiker Pius' XII. als böswillig attackieren (Pater Gumpel erfindet ein "jüdisches Lager", das etwas "gegen Katholiken" hat), dann urteilen sie über andere.
(Zitiert in James Carroll, "Constantine's Sword: The Church and the Jews", Boston 2001, S. 436.)
Wenn wir zum Lob moralisch berechtigt und verpflichtet sind, dann auch zu seinem Gegenteil, dem Tadel.

Wenn wir heute Menschen strafrechtlich und moralisch beurteilen, die einmalig Straftaten gegen einen Einzelnen begehen, warum sollten dann Leute, die in der NS-Zeit Straftaten begangen haben, von unserem Urteil ausgenommen sein? Nur weil die Zahl der Übeltäter, die Zahl und Art der Straftaten und die Zahl der Opfer allesamt so ungeheuerlich waren? Es ist eine Umkehrung von Gerechtigkeit und Moral, jemanden, der willentlich ein Verbrechen oder eine andere schädliche Tat begeht, milder zu behandeln, sofern viele andere dasselbe getan haben und die Tat überdies zum Schlimmsten gehört, was man sich vorstellen kann (wie die Massenvernichtung der Juden), als einen Einzelnen, der etwas weit weniger Schlimmes tut, zum Beispiel ein Auto stiehlt. Wer verlangt, dass wir das Verhalten von Menschen in der NS-Zeit nicht einer moralischen Untersuchung unterziehen sollten, verlangt, dass wir es in keinem Fall tun sollten, oder er behauptet, dass Deutsche und andere, die Juden ermordeten und schädigten, ein Sonderfall seien, dem moralische Immunität gebührt. Der einen wie der anderen Ansicht werden wohl nicht viele zustimmen.

Weshalb sollte man Menschen von jeglicher Verantwortung freisprechen, bloß weil die Nationalsozialisten brutal waren? Eine solche Befreiung könnten sie nur dann beanspruchen, wenn dreierlei zugetroffen hätte:
1. Dass sie richtig zu handeln wünschten.
2. Dass eindeutig sie selbst dieser Brutalität ausgesetzt waren.
3. Dass dies der Grund war, warum sie nicht ihren guten Überzeugungen gemäß handelten.
Für Kirchenmänner hieße das, dass sie die Juden für unschuldig hielten oder, falls nicht, dennoch großes Mitleid mit den Juden empfanden und ihnen zu helfen wünschten, aber durch den angeblichen Terror und nur dadurch daran gehindert wurden.
Die Kirche kann nicht beweisen, dass diese Bedingungen erfüllt waren (mehr noch, es war der eigene Wunsch und die eigene Entscheidung der Kirche, die vernichtendsten antisemitischen Vorwürfe gegen Juden zu verbreiten).

Gäbe es Dokumente über interne Diskussionen im Vatikan oder unter nationalen Kirchenführern über die Unschuld der Juden und die große Ungerechtigkeit all der Ausschaltungsmaßnahmen einschließlich derer, die in den 30er Jahren von den Deutschen ergriffen wurden – und bestimmt hätte es solche Diskussionen gegeben, wenn dies die Ansichten der Kirchenmänner gewesen wären – dann hätte die Kirche diese Dokumente zweifellos längst veröffentlicht. Selbst die bereinigte Auswahl von Materialien in der amtlichen kirchlichen Publikation von diplomatischen Dokumenten aus der Kriegszeit stützt, anders als die Kirche behauptet, diese Sichtweise nicht. Außer all den Briefwechseln und Berichten, die im Grunde die Kirche selbst anklagen, fällt in den elf Bänden vor allem wiederholt auf, was fehlt: die Anerkennung der Tatsache, dass die Juden vollkommen unschuldig waren, durch Vertreter des Vatikans sowie ein erkennbares Interesse ihrerseits am allgemeinen Wohlergehen der Juden. (Siehe die Erörterung vieler derartiger Dokumente in John F. Morley, "Vatican Diplomacy and the Jews During the Holocaust", und Zuccottis UHVW.)
Bei ihrem Bemühen, die Kirche freizusprechen, unternehmen die Kirche und ihre Verteidiger nicht einmal den Versuch zu zeigen, dass die drei Bedingungen erfüllt waren, die erfüllt sein müssen, damit die Kirche von der Verantwortung für ihre Versäumnisse entbunden werden könnte. Eine solche Vorstellung über wird durch die zahlreichen Dokumente aus dieser Zeit unbestreitbar ad absurdum geführt.
Das Beste, was die Kirche und ihre Verteidiger tun können, ist, wie ein Mantra in der einen oder anderen Form zu behaupten, die Nationalsozialisten seien brutal gewesen.

Warum sollten allein die Kirche, Pius XI. und Pius XII., Bischöfe und Priester von unserer moralischen Beurteilung ausgenommen sein, und das ausgerechnet im Hinblick auf ihr Verhalten gegenüber einem der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte? Weil sie behaupten, Diener Gottes zu sein und damit der Aufgabe verpflichtet, ein moralisches Leben zu führen? Das würde sie nicht nur unserer moralischen Beurteilung nicht entheben, sondern geradezu verlangen, einen noch strengeren Maßstab anzulegen.
Die Kirche selbst befürwortet in ihrer Lehre, dass man über andere und sie selbst urteilt.

Über Menschen, die ihre Autorität nicht anerkennen, urteilt sie z.B., sie seien nicht würdig, in den Himmel zu kommen ("außerhalb der Kirche ist kein Heil"), woraus ungeachtet einiger gegenteiliger offizieller Behauptungen streng genommen zu folgern ist, dass sie in der Hölle landen werden. (Katechismus, §§ 846 ff. u. 1257-61 über Erlösung und 1033-37 über die Hölle)
Und sie urteilt über sich selbst, die personifizierte Unschuld zu sein.

("Es ist Gegenstand des Glaubens, dass die Kirche [...] unzerstörbar heilig ist.")

Was den Holocaust angeht, scheut die Kirche sich nicht, selbst laut und nachdrücklich über sich und ihre führenden Mitglieder zu urteilen. Ihr Urteil, ungeachtet der selbstkritischen Erklärung der französischen Bischöfe von 1997 im Großen und Ganzen eine Feststellung der Unschuld. Seit wann erlauben wir es denjenigen, die möglicherweise schuldig sind, oder ihren Repräsentanten, das Urteil zu diktieren? Seit wann dürfen sie als alleinige und maßgebliche Richter in eigener Sache agieren und dabei diejenigen als voreingenommen angreifen und herabsetzen, die es – ihnen nicht zur Loyalität verpflichtet, ihre Identität nicht teilend und ihrer Institution nicht angehörend – wagen, sie einer kritischen Untersuchung und Beurteilung zu unterziehen?

Die Behauptung, wir dürften nicht über den Papst und andere Katholiken urteilen, die während des Holocaust als Katholiken agiert haben, läuft darauf hinaus, dass wir nicht über Menschen urteilen dürfen, die unter Umständen gehandelt haben, denen wir nicht ausgesetzt waren. Solch eine Regel akzeptiert oder praktiziert eigentlich niemand, mag er sagen, was er will. Das hieße, dass es keine Moral gibt, denn die Moral besteht aus Regeln für richtiges Verhalten, die für alle Menschen gelten und die wir auf alle Menschen anwenden dürfen, unabhängig davon, ob wir uns genau in ihrer Lage befunden haben oder nicht. Nicht zu urteilen hieße zu leugnen, dass Menschen Gutes, dass sie Lobenswertes tun können – und das leugnet niemand, am allerwenigsten die Kirche, die ihren Glauben an die eigene unfehlbare Löblichkeit laut ausposaunt. Nicht zu urteilen hieße, die Existenz von Moral zu leugnen. Es hieße folglich, unsere menschliche Handlungsfreiheit zu leugnen, und damit würde philosophisch, theologisch oder auch nur schlicht und einfach unser Menschsein geleugnet.
Wenn wir über den Papst, die Bischöfe und andere urteilen, so ist das kein Verstoß, sondern die Erfüllung unserer moralischen Pflichten, die wir einander als Menschen schuldig sind.

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