November 17, 2010

Mystici Corporis – Urknall für Katholikenglasnost



Daniel Goldhagen 2003: Die Katholische Kirche und der Holocaust

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S. 122 ff.) Im Interpretationslabyrinth einer kampfbereiten spirituell-politischen Weltinstitution

Die Verteidiger der Kirche behaupten, sie habe sich mit Ausbruch des ZWK umzingelt und in ihrer Existenz bedroht gefühlt. Sogar jemand, der nicht gerade zu den Verteidigern der Kirche zählt, kann mit einem gewissen Verständnis in diesem Sinne schreiben:

"Nie schien der Ausdruck 'Festung Kirche' treffender. Viele Vertreter des Vatikans wurden unter diesen Umständen noch argwöhnischer, furchtsamer und unbeweglicher als sonst. Ihr Handeln, jetzt nur noch auf Abwehr beschränkt, war ausschließlich auf die eigene Klientel ausgerichtet. Es blieb wenig Spielraum, sich um die Armut oder Unterdrückung von Nicht-Katholiken zu kümmern, die in ihren Menschenrechten verletzt, aber per definitionem Feinde der Kirche waren." (Zuccotti, UHVW, S. 24)

Vielleicht hätte die Kirche sich mehr um das Geschehen draußen kümmern sollen, sagen ihre Verteidiger, aber ihre Reaktion ist sowohl verständlich als auch letztlich gerechtfertigt angesichts der realen Gefahr, die ihr von Seiten des Nationalsozialismus drohte, der, wie sie zu Recht sagen, zutiefst antichristlich war. Allerdings kaschierten die Nationalsozialisten ihre Feindschaft so gut, dass die meisten Deutschen und selbst dt. Geistliche das nicht begriffen. Wenn sie sich wirklich durch den Nationalsozialismus tödlich bedroht geglaubt hätten, hätten die dt. katho. Bischöfe und der Papst sich dann gewünscht, dass Dtl. die Sowjetunion besiegte, was den Nationalsozialismus unermesslich gestärkt und seine Herrschaft über Europa gefestigt hätte? Wie groß kann die Angst der Kirchenführung vor dem Nationalsozialismus tatsächlich gewesen sein?

Man verlangt von uns Verständnis für diese kampfbereite politische Institution, die über einen unabhängigen, souveränen Staat, Vatikanstadt, mit einem absoluten Herrscher, dem Papst, verfügte und diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten unterhielt. Doch warum sollten wir die Lage der Kirche im Angesicht der Deutschen so grundlegend anders beurteilen als die aller anderen Länder und Völker, und warum sollten die schwierigen Umstände, vor denen alle in Europa standen (und die sich für viele weit schrecklicher gestalteten als für die Kirche), das Tun und Lassen nur dieser politischen Institution und ihrer politischen Führer so ohne weiteres entschuldigen oder in einem milderen Lichte erscheinen lassen?
Viele Menschen in ganz Europa wurden sich politisch und ideologisch mit den Deutschen einig und unterstützten sie in mindestens einigen ihrer wichtigen politischen Ziele, auch wenn sie behaupteten, damit nur ihr Volk schützen und einen Schein von Unabhängigkeit für ihr Land wahren zu wollen. Zu ihnen zählen Quisling in Norwegen sowie Marschall Pétain und Pierre Laval in Vichy, und man bezeichnet sie vielfach als Kollaborateure und ihre Regime als Kollaborationsregime. Nimmt man sie als Bezugsrahmen für die Bewertung, könnte man zu dem Schluss kommen, dass auch Pius XII. als Kollaborateur der Nationalsozialisten einzustufen ist, selbst wenn man die allzu schroffe Einschätzung, er sei "Hitlers Papst" *) gewesen, nicht teilt.

kreuz.net-"Christus vincit") Die Gedanken von Mary Ball-Martinez ("Die Unterminierung der Katholischen Kirche") sind in der Tat ungewöhnlich und man muss das Buch mehrmals lesen, um alles zu verstehen!
Aus der betreffenden Passage über "Mystici Corporis" (S. 16-17): "Es war lange vor dem Konzil, dass ein neuer Geist in der Kirche geboren wurde [...] Jesuiten-Theologen verweisen auf den 29. Juni 1943 als den Tag des 'Urknalls' [...] Virgilio Rotondi SJ sagte mit Nachdruck: Alle ehrenhaften Menschen [...] anerkennen, dass die Revolution mit der Veröffentlichung der Enzyklika Mystici Corporis von Papst Pius XII. stattfand. Damals war es, dass das Fundament für 'die neue Zeit' gelegt wurde, aus der das ZVK auftauchen würde.
Der Jesuit Avery Dulles erklärt die Natur der Explosion: Bis zum Juni 1943 war das juridische und gesellschaftliche Modell der Kirche unangefochten, aber dann wurde es plötzlich durch das Konzept des Mystischen Leibes ersetzt.
Die Bezeichnung war nicht neu. Sie war siebzig Jahre zuvor von den Vätern des EVK vorgelegt worden. Sie hatten sie zurückgewiesen mit der Begründung, sie sei 'verwirrend, doppeldeutig, vage und unangemessen biologisch' [...]
Die Bischöfe von 1870 unterbreiteten ihr Urteil über die Natur der Kirche mit klaren Worten:

Wir lehren und erklären, dass die Kirche alle Merkmale einer echten Gesellschaft besitzt [...]
Die Kirche ist nicht Bestandteil oder Mitglied irgendeiner anderen Gesellschaft. Sie ist so in sich selbst vollendet, dass sie sich von allen anderen Gesellschaften unterscheidet und weit über ihnen steht."

Analytische Exaktheit und moralische Redlichkeit verlangen, dass man über diesen Vergleich nachdenkt. Wenn im Zusammenhang mit Pius XII. und der katholischen Kirche (bzw. ihren nationalen Kirchen, Bischöfen etc.) nicht oft von Kollaboration zu hören ist, ist das ein Symptom für das Versagen von Autoren und Kommentatoren in unseren christlichen Gesellschaften, offen und ehrlich über dieses herausragendste christliche Oberhaupt und diese Institution zu sprechen. Dieses Versagen wird umso eklatanter, wenn man nach Frankreich blickt, auf das Land, dem wir den Begriff des "Kollaborateurs" verdanken: Monsignore Beaussart, der als Vertreter des Pariser Kardinals Emmanuel Suhard Verbindungsmann der Versammlung der Kardinäle und Erzbischöfe bei den Deutschen war, erklärte im November 1941, dass "Zusammenarbeit (Kollaboration) der einzige vernünftige Kurs für Frankreich und die Kirche ist". (Philippe Burrin, "France Under the Germans", S. 221) Charles de Gaulle wünschte nach dem Krieg mindestens siebenundzwanzig Bischöfe ihres Amtes enthoben zu sehen, weil sie mit Vichy kollaboriert hatten, und Frankreich erklärte die Kollaboration zu einem strafrechtlichen Delikt, dessen Kriterien sicherlich auf die katholische Kirche und viele ihrer Geistlichen inner- und außerhalb Frankreichs zutreffen würden.

Schließlich war die katholische Kirche die erste internationale politische Institution, die ein wichtiges Abkommen mit Hitler unterzeichnete und verkündete, und sie tat es, um ihre weltliche Macht aufrechtzuerhalten. Indem sie sich selbst als moralische Institution darstellte, verlieh sie seinem Regime de facto moralische Legitimität. Indem sie dem Regime bereitwillig ihre Kirchenbücher zur Verfügung stellte, leistete sie Beihilfe zur Verfolgung der dt. Juden. Zusammen mit dem Regime prangerte sie die Juden an und schaute dann so gut wie schweigend zu, als die Deutschen und ihre Helfer Völkermord begingen. Sie gestattete ihren dt. Geistlichen, den Soldaten in diesem apokalyptischen, mit Massenmord einhergehenden Krieg Beistand zu leisten. In der Slowakei verbündeten sich führende Geistliche zum Zwecke des Völkermords mit den Deutschen. In Kroatien begingen Geistliche selbst in nennenswerter Zahl Massenmord. Während das Vichy-Regime vorgeblich Frankreich schützte, schützte die Kirche ihr materielles und geistliches Herrschaftsgebiet, nämlich sich selbst.


S. 126-131) Die Konsequenz der Machtübernahme des Jesuitismus in Rom
Wenn die Verteidiger der Kirche meinen, dass bloße Vermutungen wie diese als Maßstab ausreichen, um Millionen von Menschen mit Recht dem Tod preiszugeben, dann sollten sie es offen sagen. Sie sollten ferner angeben, wie eine akzeptable moralische Abwägung ausgesehen hätte: Wieviele jüdische Menschenleben hätte die Kirche opfern dürfen, um wieviel Macht zu bewahren (die Gefahr der Machteinbuße war hypothetisch) oder um wieviele ihrer dt. Katholiken davon abzuhalten, den Schoß der Kirche zu verlassen? (Auch diese Gefahr war nur hypothetisch.) Wie hoch würden die Verteidiger der Kirche gehen? Würden sie sagen, dass die Kirche berechtigt war, beim Massenmord an acht, zehn, fünfzehn Millionen, beim Massenmord am gesamten jüdischen Volk ruhig zuzusehen? Wo ist die Grenze? Solange jemand, der das Verhalten des Papstes und der Kirche während des Holocaust verteidigt, solche Fragen nicht beantwortet, hat er sich nicht ehrlich bemüht, auf die eigentlichen Probleme einzugehen.
Aber selbst wenn die Verteidiger der Kirche bereit wären, eine solche Abwägung zu skizzieren, wäre das Problem noch nicht geklärt. Um behaupten zu können, dass die Untätigkeit der Kirche nichts mit der Identität der Opfer, oder anders gesagt, nichts mit den Ansichten der Kirchenführer über die Juden zu tun hatte und dass die Kirche berechtigt war, sich so vorsichtig zu verhalten, wie sie es getan hat, müssten die Verteidiger auch folgendes vertreten können: dass, gesetzt den Fall, die Nationalsozialisten hätten sich vorgenommen, elf Millionen Katholiken in Dtl. oder Italien oder auch elf Millionen Protestanten in Dtl. systematisch auszurotten (die auf der Wannseekonferenz vorgesehene Zahl der zur Ausrottung bestimmten Juden), und zwar einzig und allein deshalb, weil die Opfer katholisch oder christlich waren, und gesetzt den Fall, die Deutschen hätten die Massenvernichtung fast vier Jahre lang betrieben, bis sechs Millionen christliche Märtyrer vernichtet gewesen wären – dass die Kirche in diesem Fall dieselbe moralische Abwägung getroffen und ebenso wenig getan hätte, um diesen Opfern zu helfen, wie sie getan hat, um den Juden zu helfen. Sie müssten darlegen können, dass Pius XII. niemals ausdrücklich und öffentlich gegen den Massenmord protestiert hätte, dass die Bischöfe etwa der dt. katho. Kirche stumm geblieben wären und dass der Papst und die Kirche das Regime weiterhin legitimiert und auf vielerlei Weise unterstützt hätten, so wie sie es getan haben, auch dadurch, dass sie sich an das Konkordat hielten.
[...] Sollten die Verteidiger der Kirche aber zu genau dieser Behauptung nicht bereit sein, wäre dies das faktische Eingeständnis, dass die Kirche sich in ihrer Reaktion auf den Holocaust nicht auf vertretbare moralische Grundsätze stützte und dass es tatsächlich der Antisemitismus war, der ihre Reaktion nachteilig beeinflusste. Tut es der Legitimität der Kirche etwa weniger Abbruch, wenn die Opfer ihrer ungerechten Handlungen und Unterlassungen Juden waren? [...]

Wenn es einen Menschen oder eine Institution gibt, an die man den höchsten moralischen Maßstab anlegen darf, dann ist dieser Mensch der Papst, und die entsprechende Institution ist die katholische Kirche. Man kann überdies mit gutem Grund vorbringen, dass der Papst, die Kirche und die nationalen Kirchen – speziell die dt. Bischöfe und Priester, deren Land die Vernichtung in Gang setzte, organisierte und vorantrieb – stärker als andere Menschen und Institutionen verpflichtet waren, die Juden zu schützen. Die Kirche und die nationalen Kirchen hatten sich in hohem Maße schuldig gemacht, denn sie hatten die Ansichten verbreitet, die viele Deutsche, Polen, Franzosen und andere dazu brachten, einen eliminatorischen Angriff auf die Juden zu unterstützen. Aber man braucht gar nicht zu den starken Argumenten zu greifen, die für eine höhere Verantwortung der Kirche und ihrer Oberhäupter zur Rettung der Juden sprechen. Man kann ganz normale, von vielen Menschen geteilte moralische Maßstäbe an sie anlegen. Und man kann sogar einstweilen vom Prinzip absehen und sich damit begnügen, das Verhalten der Kirche und ihrer Führung auf praktischer Ebene mit dem der Dänen zu vergleichen. Die Dänen sind energisch und lautstark für ihre jüdischen Landsleute eingetreten und haben gegenüber der dt. Besatzung darauf bestanden, dass die dänischen Juden nicht diskriminiert oder gedemütigt werden, dass sie ungehindert arbeiten und mit allen anderen Dänen verkehren und in ihren Synagogen ungestört ihre Religion ausüben dürfen. Die Deutschen haben das akzeptiert. Und als die Deutschen – erst nach jahrelanger Besatzung – darangingen, die dänischen Juden in den Tod zu deportieren, haben die Dänen, ermutigt von der Dänisch-Lutherischen Staatskirche, nahezu alle gerettet und sie mit Schiffen nach Schweden in Sicherheit gebracht. Das war ein praktisches Beispiel dafür, was man tun konnte. Wer vom Papst, der Kirche und den nationalen katholischen Kirchen eine wirkliche Anstrengung zur Rettung der Juden erwartet, erwartet von ihnen folglich nicht mehr als von anderen, die tatsächlich eine solche Anstrengung unternommen haben. Er lässt nur nicht die heuchlerischen Ausreden gelten, mit denen sie zu begründen suchen, warum sie als Einzelne und als Institution so viel weniger Gutes und so viel mehr Schlechtes getan haben als andere.

Welchen moralischen Maßstab soll man nun anwenden? Die Lehren der Kirche selbst, zu denen der Universalismus des Christentums gehört? Einen Kant'schen Universalismus? Einen liberalen Utilitarismus? Ganz gleich, welchen dieser Maßstäbe man anlegt – am Ende steht ein vernichtendes Urteil über das Schweigen und die relative Untätigkeit des Papstes und der Kirche. Das Urteil ist ebenfalls klar, wenn wir uns auf die Lehre stützen, welche die Kirche selbst aus dem fünften Gebot ableitet: "Das sittliche Gesetz verbietet, jemanden ohne schwerwiegenden Grund einer tödlichen Gefahr auszusetzen, ebenso wie die Weigerung, einem Menschen in Lebensgefahr zu Hilfe zu kommen." Das wohl berühmteste Gleichnis der christlichen Bibel, das vom barmherzigen Samariter – das die angebliche Überlegenheit der christlichen gegenüber der jüdischen Moral verkündet – unterstreicht eindrucksvoll diese christliche Pflicht, Menschen in Not zu helfen. Ließe sich zur Verteidigung der Kirche vielleicht ihr Status als politische Institution anführen, für die die Wahrung und Förderung ihrer Macht höchste Priorität hat? Das hieße doch, der Kirche mit einem Schlag ihre Legitimation als moralische Institution zu entziehen – eine solche Position käme fast einem Eingeständnis der Kollaboration gleich. Man könnte jeden dieser Bewertungsmaßstäbe (oder auch andere) anlegen, doch die Verteidiger des Papstes verschmähen sie alle (oder legen sie, soweit es um die politische Rechtfertigung geht, zumindest nicht offen an), weil in jedem Fall am Ende eine Verurteilung der Kirche stünde.

Letztlich versuchen die Verteidiger der Kirche deren Versagen mit der schon erwähnten Mischung zu rechtfertigen: Der selektive, bizarre moralische Konsequentialismus einer politischen Institution wird damit bemäntelt, dass man die Kirche so darstellt, als sei sie eine moralische Institution gewesen. Die Verteidiger stellen ungewisse, hypothetische Konsequenzen so dar, als seien sie beinahe Gewissheiten oder Tatsachen gewesen. Diese "Tatsachen" benutzen sie dann als Rechtfertigung dafür, dass die Kirche nicht das getan hat, was unbestreitbar rechtens und moralisch geboten gewesen wäre. Die Absichten der Kirche, so das Argument ihrer Verteidiger, seien untadelig gewesen, doch habe sie nicht mehr tun können, um den Juden zu helfen (und damit der moralischen Verantwortung entsagt), weil sie sich um ihr eigenes, angeblich bedrohtes Überleben kümmern musste (die dürftige Hypothese des Konsequentialismus), und in ihrer Sorge um die Juden (hier wird fälschlich behauptet, die Kirche habe sich von moralischen Überlegungen leiten lassen) habe sie erkannt, dass die einzige Möglichkeit, ihnen zu helfen, darin bestanden habe, ihnen nicht zu helfen (ein bizarrer, noch bedürftigerer Konsequentialismus).
Dass Katholiken im Einklang mit theologischen oder moralischen Prinzipien einen solchen Konsequentialismus rechtfertigen, ist schwer vorstellbar. Besonders da die Kirche in ihrer Lehre einen solchen Grundsatz und eine derartige Praxis ausdrücklich verwirft:

"Es ist nicht erlaubt, etwas Schlechtes zu tun, damit etwas Gutes daraus entsteht."

Die Kirche und ihre Verteidiger bedienen sich bei der Erörterung des Holocaust so lange eines solchen moralischen Konsequentialismus, wie er sich einschmuggeln lässt, ohne dass die vielen Menschen, die geneigt sind, zunächst einmal die moralische Legitimität und den guten Willen der Kirche anzuerkennen, etwas davon merken. Man würde sich jedoch schwer tun, ihn offen einzugestehen. Zudem ist der moralische Konsequentialismus eine offenkundige Heuchelei, denn niemand kann glauben, dass die Kirche ihn konsequent angewendet hätte, wenn es um eine erklärte Massenvernichtung von Katholiken – nur weil sie Katholiken waren – gegangen wäre.

In Wirklichkeit hat die katholische Kirche nicht als moralische sondern als politische Institution gehandelt. Wir sollten das begreifen. Wir sollten die Folgen dessen akzeptieren, darunter auch die, dass die Vorstellung, man dürfe die Lehre und die Handlungen der katholischen Kirche nicht kritisieren, Unsinn ist. Außenstehende sind berechtigt, an der Kirche Kritik zu üben wie an anderen politischen Institutionen auch. Die Kirche verfügt über einen Staat, riesige materielle Besitzungen, einen regelrechten diplomatischen Dienst, sie schließt Abkommen über Zusammenarbeit und hat mehr als eine Milliarde Anhänger. Ihre Lehre ist wie die Ideologie eines Staates politisch, und sie hat Folgen für Menschen, die keine Katholiken sind. Analog zu einem aggressiven Nationalismus predigte die Kirche in ihrer langen Geschichte einen auf Eroberung ausgerichteten Imperialismus der Seele sowie Verachtung für und Hass auf andere, besonders Juden. Andere Institutionen, Staaten eingeschlossen, die eines oder mehrere dieser Merkmale aufweisen, werden von Nicht-Mitgliedern mit Recht dazu aufgefordert, sich zu ändern. Warum sollte die katholische Kirche Immunität genießen? Alles, was die Kirche tut und was politische Folgen oder Implikationen für Nicht-Katholiken hat, sollte von Außenstehenden wie von Katholiken einer kritischen, das heißt fairen Prüfung und Bewertung unterzogen werden, und notfalls sollten sie Veränderungen fordern.
Die Ablenkungsstrategien – Reinwaschung Pius' XII., taktischer Wechsel zu vorteilhaften Themen, der Eiertanz um den Antisemitismus und das Verschleiern der Tatsache, dass die Kirche eine politische Institution war und als solche bewertet werden sollte – funktionieren nicht mehr. [...] Kaum etwas vermag die Kirche, Pius XII. und zahlreiche Bischöfe und Priester von ihren vielen unleugbar schädlichen Handlungen und Unterlassungen und letztlich von ihrer drückenden moralischen Verantwortung für den von den Deutschen und ihren Helfern begangenen Mord an den Juden zu entlasten.

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