November 17, 2010

Jüdisches Überwuchern + strenge Gewissenspflicht



Daniel Goldhagen 2003: Die Katholische Kirche und der Holocaust

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S. 134-140) Vorsätzlich, aktiv und konsequent (Schuld und Strafe)

Die Handlungsmuster der katholischen Kirche müssen erfasst und erklärt werden. [...] Wir müssen daher auch die schlechte Gewohnheit meiden, immer wieder von Fall zu Fall Anekdoten aufzutischen, die als Erklärungen durchgehen sollen, etwa die zumeist ohne Beweis vorgetragene Behauptung, bei dieser schlechten Handlung habe jemand Angst vor den Deutschen gehabt oder bei jener schlechten Handlung habe jemand nicht gewusst, was er tut. Diese Erklärungen werden dann [...] von den offensichtlich auf einen gegebenen Einzelfall bezogenen Tatsachen ausgehend, auf andere Handlungen derselben Person oder auf andere Akteure in derselben Situation übertragen. Da die Entscheidungen und Handlungen der Menschen sich aber in allgemeine Muster mit erkennbaren Konturen einfügen, müssen wir vielmehr nach einer allgemeinen Erklärung für diese Muster suchen, wobei es natürlich immer einzigartige Aspekte und deshalb auch Ausnahmen von der Regel gibt.
Um zu erfassen, was die Menschen – auch gewöhnliche Deutsche – in der NS-Zeit hinsichtlich der eliminatorischen Verfolgung der Juden durch die Deutschen gedacht und getan haben, lassen sich ihre Ansichten, die bisher durchgängig und in verwirrender Weise zusammengeworfen worden sind, nach zwei Dimensionen unterscheiden, und jede dieser Dimensionen lässt sich systematisch untersuchen:
1. Ansichten über die Schuld oder Unschuld von Juden und
2. Ansichten über die Angemessenheit einer bestimmten Bestrafung.

Mit dieser Unterscheidung im Hinterkopf können wir auch das Verhalten der katholischen Kirche, ihrer nationalen Kirchen und ihrer Geistlichen in jenen Jahren besser verstehen.
Und sie kann uns helfen, dieses Verhalten im Vergleich zu verstehen, und zwar in zweierlei Hinsicht:
1. gemessen an der Haltung der Kirche gegenüber anderen verbrecherischen Handlungen der Deutschen und
2. gemessen an den Reaktionen anderer Akteure, beispielsweise der Dänisch-Lutherischen Staatskirche und ihrer Geistlichkeit, auf die eliminatorische Verfolgung der Juden.
Zum ersten Thema hier nur eine vorläufige Feststellung. Die katholische Kirche hat es in der NS-Zeit auch gegenüber anderen Völkern und in vielfältiger sonstiger Weise versäumt, gut zu handeln. Doch allein den Juden – und keiner anderen Gruppe – hat die Kirche vorsätzlich, aktiv und konsequent Schaden zugefügt und ihrem Leiden Vorschub geleistet, vom ungeheuren Ausmaß des Unrechts und Leidens ganz zu schweigen.
Diese wesentliche Tatsache muss man im Blick behalten – sie bedarf der Erklärung.


Zweifellos hatten die meisten Deutschen – Urheber, Organisatoren und Haupttäter (wenn auch nicht die einzigen) des europaweiten eliminatorischen Angriffs auf die Juden – eine Vorstellung von den Juden, deren Grundzug ungeachtet aller mannigfaltigen Besonderheiten darin bestand, dass die Juden der größten Verbrechen und der verheerendsten Vergehen gegen Dtl. und die Menschheit schuldig waren und eine beständige Gefahr für die Wohlfahrt und die Existenz Dtl.s darstellten. *)
Die Frage, die sich für alle Geistlichen aller Länder stellt, vom kleinsten Gemeindepfarrer bis hin zum Papst – und die von denen, die über diese Probleme schreiben, fast durchweg ignoriert wird –
ist folgende:

Hielten diese Männer die Juden der Dinge, die ihnen vorgeworfen wurden, für schuldig oder für unschuldig?
Hielten sie, anders gesagt, die außergerichtliche, de facto strafrechtliche Verurteilung der Juden durch die Deutschen, Slowaken, Kroaten und andere für gerechtfertigt oder nicht?
Wenn sie die Juden für schuldig hielten, großes Unglück über Nichtjuden gebracht zu haben, wenn sie glaubten, man mache die Juden zu Recht für große Übel verantwortlich, stellt sich eine zweite Frage:
Betrachteten die katholischen Geistlichen die Strafen, die die Deutschen und ihre Helfer den Juden zumaßen und die sich mit der Zeit änderten, als dem Verbrechen angemessen?
Hielten die Geistlichen die wechselnden Strafen für gerecht oder ungerecht?

*) Siehe "Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust", Berlin 1996.
Inzwischen haben meine diversen Feststellungen reichlich Bestätigung erfahren (sogar von jenen, die das Buch mit dem Hinweis auf Ausnahmen angegriffen oder fälschlich behauptet haben, sie hätten das schon immer gesagt). Siehe Marion A. Kaplan, "Der Mut zum Überleben. Jüdische Frauen und ihre Familien in Nazideutschland", Berlin 2001, die ihre zentralen analytischen Konzepte, den "sozialen Tod" und die Tatsache, dass die Deutschen wünschten, die Juden würden "verschwinden", formulierte, unmittelbar nachdem ich diese Begriffe (ich sprach im letzteren Fall von "ausschalten") in die Holocaustforschung eingeführt hatte. Zu einigen aus einer Vielzahl weiterer Beispiele siehe Christiane Kohl, "Der Jude und das Mädchen. Eine verbotene Freundschaft in Nazideutschland", Hamburg 1997, und Thomas Sandkühler, "'Endlösung' in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz, 1941-1944", Bonn 1996.
("Die Bezeichnung 'Oberjuden' ist auch als Ausdruck christlicher Judenfeindlichkeit belegt, so in einer Ostermontagspredigt aus dem Jahr 1836, wo die 'Hohepriester und Ältesten', Matthäus 27:20, die gemäß den Evangelien die Juden dazu bewogen haben sollen, die Kreuzigung Jesus zu fordern, als 'Oberjuden' bezeichnet werden. Auch die KPD verwendet anfangs der 1930er Jahre den Ausdruck 'Oberjuden' in einer Publikation, mit der die mit der NSDAP sympathisierenden Arbeiter angesprochen werden sollten.")
[...] wo die Ausstellung der nordelbischen evange. Landeskirche in Dtl. mit ihrem Bekenntnis: "Die Mehrheit der Kirche [...] unterstützte die Verfolgung der Juden" erörtert wird. Diejenigen, die die Ereignisse selbst miterlebt haben, die Augenzeugen, haben ebenfalls scharenweise mündlich und schriftlich ihre Zustimmung bekundet.
Zu ausgewählten Beispielen siehe "Briefe an Goldhagen", Berlin 1997.

("News about Hitler's Willing Executioners: Front page article in the 'New York Times' on October 15 2010 announces that the revolution in understanding that Hitler's Willing Executioners produced about the Holocaust has unequivocally become, just fifteen years after the book's publication, the consensus view in Germany. The establishment German Historical Museum in Berlin has opened a major exhibition that confirms and builds upon the conclusions of Hitler's Willing Executioners: 'This exhibition is about Hitler and the Germans – meaning the social and political and individual processes by which much of the German people became enablers, colluders, co-criminals in the Holocaust,' said the authoritative Constanze Stelzenmüller, until recently the director of the German Marshall Fund Berlin Office [and McCloy-Rhodes-Scholar]. 'That this was so is now a mainstream view, rejected only by a small minority of very elderly and deluded people, or the German extreme right-wing fringe. But it took us a while to get there.'" [emphasis Goldhagen] "The household items had Nazi logos and colors. The tapestry, a tribute to the union of church, state and party, was woven by a church congregation at the behest of their priest. [...] Instead, the show focuses on the society that nurtured and empowered him. It is not the first time historians have argued that Hitler did not corral the Germans as much as the Germans elevated Hitler. [...] 'The Nazis were members of high society. This was the dangerous moment.'")


Eine unbestreitbare Feststellung


Betrachten wir zunächst die der systematischen Ausrottung vorausgehende Phase der Judenverfolgung durch die Deutschen, mit all den Maßnahmen, die die Juden entmenschlichten und darauf gerichtet waren, sie und ihren Einfluss in einem Land nach dem anderen auszuschalten, so drängt sich die unbestreitbare Feststellung auf, dass praktisch der gesamte katholische Klerus und ein großer Teil seiner Gemeindeglieder die Juden schwerer Verbrechen und Vergehen für schuldig hielten. Die Schuld der Juden, aller Juden, kollektiv und generationenübergreifend, wird in der christlichen Bibel verkündet ("Da rief das ganze [jüdische] Volk: Sein [Jesu] Blut komme über uns und unsere Kinder!" Mt. 27:25). Diese dem jüdischen Volk als Volk zugeschriebene Kollektivschuld war eine zentrale Lehre der katholischen Kirche, und die Kirche hatte sie jahrhundertelang emsig verbreitet. Außerdem waren die Kirche sowie ein Großteil der katholischen Geistlichen und Laien, vor allem in Mittel- und Osteuropa, unangefochten der aus ihrer Religion abgeleiteten Meinung, die Juden hätten einen einzigartigen Hang dazu, Böses zu tun, seien die Urheber ungeheurer gesellschaftlicher und politischer Schäden, die sie ihren Gastländern zufügten, und sie seien die Schöpfer oder Lenker des kommunistischen Ungeheuers.


Donnernde Parolen der Bischöfe


Überall in Europa waren katho. Bischöfe und Priester bestrebt, die Katholiken wissen zu lassen, dass sie die Juden nicht für unschuldig hielten, und verbreiteten sich mit Leidenschaft mündlich und schriftlich über die Schuld der Juden. Hier ein paar führende Stimmen.
Auf dem Höhepunkt des Massenmords schrieb Adolf Kardinal Bertram, vielleicht der maßgebende Kardinal der dt. katho. Kirche, in einer offiziellen Eingabe über "die schädlichen Einflüsse eines Überwucherns jüdischer Einflüsse gegenüber deutscher Kultur und vaterländischer Interessen."
Ein führender österreichischer Bischof, Johannes Maria Gföllner aus Linz, veröffentlichte kurz vor Hitlers Machtübernahme einen Hirtenbrief, der den internationalen Kapitalismus, den Sozialismus und den Kommunismus – die Hauptgefahren für das Wohl der Menschheit – den Juden anlastete. Er erklärte:

"Vom jüdischen Volkstum und von der jüdischen Religion verschieden sei der jüdische, internationale Weltgeist. Zweifellos üben viele gottentfremdete Juden einen überaus schädlichen Einfluss auf fast allen Gebieten des modernen Kulturlebens aus. Presse, Theater und Kino – vorwiegend von Juden genährt – vergifteten mit zynischen Tendenzen die christliche Volksseele. Wirtschaft und Handel [...] Advokatur und Heilpraxis, soziale und politische Umwälzungen sind vielfach durchsetzt und zersetzt von materialistischen und liberalen Grundsätzen, die vorwiegend vom Judaismus stammen."

Wie sollte man darauf reagieren? Der Bischof meinte,

"diesen schädlichen Einfluss des Judentums zu bekämpfen und zu brechen", sei "nicht nur gutes Recht, sondern strenge Gewissenspflicht eines jeden überzeugten Christen."
Man könne nur hoffen, "dass auf arischer und christlicher Seite diese Gefahren und Schädigungen durch den jüdischen Geist noch mehr gewürdigt, noch nachhaltiger bekämpft" würden.
(Kardinal Bertram ist zitiert nach "Akten dt. Bischöfe über die Lage der Kirche 1933-45" Bd. 5, Mainz 1983, S. 944. Zu den anderen Zitaten siehe Kertzer, "Die Päpste gegen die Juden. Der Vatikan und die Entstehung des modernen Antisemitismus", Berlin/München 2001, S. 634 f.)

Nicht nur Österreicher, sondern auch Katholiken anderer Länder erfuhren von den Ansichten Bischof Gföllners, denn sein Brief wurde überall in Europa in der katholischen Presse abgedruckt. Kardinal August Hlond, der Primas von Polen, veröffentlichte im Februar 1936 einen Hirtenbrief "Über die Grundsätze der katholischen Moral":

"Solange wie Juden Juden bleiben, gibt es eine Judenfrage und wird es sie auch weiterhin geben [...]
Es ist eine Tatsache, dass Juden Krieg gegen die katholische Kirche führen und dass sie eingefleischte Freidenker sind und die Vorhut des Atheismus, der bolschewistischen Bewegung und revolutionärer Umtriebe bilden.
Es ist eine Tatsache, dass Juden einen verderblichen Einfluss auf die Moral haben und dass ihre Verlage Pornographie verbreiten.
Es ist wahr, dass Juden Betrug begehen, Wucher treiben und mit der Prostitution Geschäfte machen.
Es ist wahr, dass die jüdische Jugend in unseren Schulen einen unter religiösem und ethischem Gesichtspunkt negativen Einfluss auf die katholische Jugend hat."

[...] Im Unterschied zu den Rassisten räumte Kardinal Hlond außerdem mit Nachdruck ein, dass es viele Ausnahmen von der Regel gebe, "anständige, gerechte, freundliche und philanthropische" Juden. Gewalt gegen Juden lehnte er entschieden ab. Seine Hauptbotschaft, dass die Juden den Polen riesigen Schaden zufügten und immer zufügen würden, und seinen Aufruf zu judenfeindlichen Maßnahmen milderte Kardinal Hlond also durch seinen Appell an christliche Grundsätze wie Liebe und letztlich eine gewisse Toleranz, was im polnischen Kontext bedeutete, dass er nicht forderte, sie aus Polen zu entfernen. Der Mehrheit der polnischen Kirche galt er deshalb als zu gemäßigt, andere Kirchenführer und Publikationen forderten regelmäßig, die Juden aus Polen zu entfernen, nicht selten in Form von Vertreibung.
Die Broschüre eines polnischen Jesuiten formulierte kurz und bündig:

"Man muss die Juden aus christlichen Gesellschaften verbannen."
Die Juden sollten gehen, "damit das polnische Volk normal leben und sich normal entwickeln kann". (Celia S. Heller, "On the Edge of Destruction: Jews of Poland Between the Two World Wars", Detroit 1994, S. 109-114)

Der Erzbischof von Zagreb, Aloisius Stepinac, Oberhaupt der kroatischen katholischen Kirche und gewiss keiner der Radikalen unter den kroatischen Kirchenführern, war der Ansicht, dass die Juden ebenso wie die Serben aus dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben Kroatiens entfernt werden sollten, dass Juden Pornographen und es hauptsächlich ihre Ärzte seien, die das "Übel" Abtreibung vornahmen.
(Zitiert in Menachem Shelah, "The Catholic Church in Croatia, the Vatican and the Murder of the Croatian Jews", in: "Remembering for the Future: Working Papers and Addenda", Bd. 1, Oxford 1989, S. 270, 276.)
Nicht ganz so "gemäßigt" war sein Kollege, Bischof Ivan Saric von Sarajevo. Im Mai 1941 erschien in dessen Diözesanblatt ein Artikel mit dem Titel "Warum werden die Juden verfolgt?", in dem es hieß:

"Die Nachkommen derer, die Jesus hassten, ihn bis in den Tod verfolgten, ihn kreuzigten und seine Jünger verfolgten, sind größerer Sünden schuldig als ihre Vorfahren. Die jüdische Habgier wächst. Die Juden haben Europa und die Welt in die Katastrophe geführt, die moralische und wirtschaftliche Katastrophe. Ihr Appetit wird so lange wachsen, bis allein die Weltherrschaft ihn stillen wird [...]
Der Satan half ihnen bei der Erfindung des Sozialismus und des Kommunismus.
Es gibt Grenzen der Liebe. Die Bewegung zur Befreiung der Welt von den Juden ist eine Bewegung zur Erneuerung der Menschenwürde.
Der allwissende und allmächtige Gott steht hinter dieser Bewegung."
(Shelah, S. 269)

Wie hier wurde das auf die Bibel zurückgehende antisemitische Motiv des Christusmords oft nahtlos mit der von kirchlichen und weltlichen modernen Antisemiten gemeinsam benutzten Parole vermengt, die Juden würden die Welt gesellschaftlich und politisch ausplündern.
Die donnernden Parolen des Bischofs hätten problemlos in einer Veröffentlichung jener "Bewegung zur Befreiung der Welt von den Juden" erscheinen können, der er göttlichen Zuspruch verhieß: des Nationalsozialismus.
In der Slowakei wandten sich die katholischen Bischöfe mit einem Hirtenbrief an die ganze Nation und rechtfertigten die Deportation der Juden in den Tod. Die Bischöfe erklärten:

"Der Einfluss der Juden war verderblich. Sie haben zum Schaden unseres Volkes in kurzer Zeit fast das ganze Wirtschafts- und Finanzwesen unseres Landes an sich gerissen. Nicht nur wirtschaftlich, auch in kultureller und moralischer Hinsicht haben sie unserem Volk geschadet. Deshalb kann die Kirche nicht dagegen sein, wenn der Staat den gefährlichen Einfluss der Juden mit gesetzlichen Regelungen eindämmt."

[...] Als es in Ungarn darum ging, ob die Kirche gegen die Deportation der Juden in ihren sicheren Tod in Auschwitz Einspruch erheben sollte, riet der zweite Mann in der kirchlichen Hierarchie des Landes, Erzbischof Gyula Czapik, als Wortführer der Mehrheit seiner Kollegen ihrem Kirchenoberhaupt, Kardinalprimas Justinian Serédi, zur Zurückhaltung, weil viele Juden "sich gegen die ungarische Christenheit versündigt haben, ohne dass je einer von ihnen dafür gerügt worden wäre." Kardinalprimas Serédi beschloss trotzdem, dass die Kirche sich gegen den Massenmord erklären müsse, doch die Art, wie er es tat, konnte den ohnehin schon starken Antisemitismus in Ungarn nur anfachen:

"Wir leugnen nicht, dass zahlreiche Juden auf Ungarns Wirtschaft, Gesellschaft und Moral einen zersetzenden Einfluss ausgeübt haben. Ebenso ist es wahr, dass die übrigen nicht gegen die Taten ihrer Glaubensgenossen protestierten. Wir zweifeln nicht daran, dass die Judenfrage auf legale und gerechte Weise geregelt werden muss.
Deshalb haben wir gegen die getroffenen Maßnahmen nichts einzuwenden, sofern das Finanzsystem des Staates in Frage steht. Ferner protestieren wir nicht gegen die Beseitigung des schädlichen Einflusses der Juden. Im Gegenteil, wir wünschen, dass er verschwindet."

Mit diesem "Hirtenbrief", der in allen Gemeinden verlesen werden sollte, rechtfertigte die ungarische Bischofssynode insgesamt die Vorstellung, dass alle Juden schuldig seien, weil sie entweder nichtjüdischen Ungarn großen Schaden zugefügt oder andere Juden nicht daran gehindert hatten. Dass sämtliche verbrecherischen Maßnahmen, die die ungarische Regierung vor der Deportation gegen die Juden ergriffen hatte (Vertreibung aus
ihren Häusern, ihren Arbeitsstellen etc.), zu unterstützen seien und dass der Einfluss der Juden (in Wahrheit die Juden selbst) aus der ungarischen Gesellschaft entfernt werden solle. (Im Gegensatz zu den katho. Bischöfen verfassten die Bischöfe der beiden protesta. Kirchen ihren eigenen Hirtenbrief, in dem, ungeachtet seiner Probleme und des ansonsten kläglichen Verhaltens der protesta. Führung, gefordert wurde, die Gewalt gegen Juden und deren Deportation ohne Einschränkung einzustellen. Kardinal Serédi hatte mehrfache Bitten der Protestanten, angesichts des Schicksals der Juden eine Einheitsfront zu bilden, abgelehnt. Siehe Moshe Herczl, "Christianity and the Holocaust of Hungarian Jewry", New York 1993, S. 205-216.) Die katho. Bischöfe erließen diesen Brief Ende Juni 1944, als die Deportationen der ungarischen Juden in den Tod ihren Höhepunkt erreichten.

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