Butzon & Bercker
pt 2 Die Welt in der Kirche verfasst und geordnet
pt 3 Die Pascendi von Pius Sarto
pt 4 Kafkas Schloss: ein Koloss mit Burgenmentalität
pt 5 Rückbildung zur geschlossenen Christenheit
pt 6 Marxistisches Bibelverständnis
pt 7 Einem Haufen Theoreme gläubig zu gehorchen
pt 8 Unfehlbarer Jesus = Glauben auf Befehl
Herz-Jesu-Priesterseminar in 84069 Schierling, Zaitzkofen 15
Aldous Huxley in "Die Pforten der Wahrnehmung" (Piper 1970, S. 20):
"Um die Inhalte des auf diese Weise reduzierten Bewusstseins begrifflich zu fassen und auszudrücken, hat der Mensch Symbolsysteme und unendliche Philosophien erfunden und immerwährend erweitert, welche wir Sprache nennen. Jeder Mensch ist zugleich Nutznießer und das Opfer der sprachlichen Tradition, in die er hineingeboren wurde – der Nutznießer insofern, als die Sprache Zugang zu den gespeicherten Informationen über die Erfahrungen anderer Menschen gewährt, das Opfer insofern, als sie ihn in dem Glauben, dieses reduzierte Bewusstsein sei das einzig mögliche Bewusstsein, bestärkt und seinen Wirklichkeitssinn verwirrt, so dass er nur allzu bereit ist, seine Begriffssysteme für gegebene Tatbestände, seine Bezeichnungen für die Dinge selbst zu halten. Was in der Sprache der Religion "von dieser Welt" genannt wird, ist das Universum des reduzierten Bewusstseins, das sich in Sprache ausdrückt und sozusagen mit Hilfe von Sprache festgeschrieben wurde."
In den Gebieten der Dritten Welt wird eine eigenständige "einheimische Theologie" gefordert, die von der bisher mehr ekklesiozentrisch ausgerichteten Akkommodationsmethode abkommen und mehr christologisch die Inkarnation Christi in die jeweilige Kultur betonen will.
So forderten die Bischöfe Afrikas anlässlich der Bischofssynode in Rom 1974: "Unser theologisches Denken [...] muss auf das Leben unserer Gemeinden achten und unsere eigenen Überlieferungen und Sprachen, d.h. unsere Lebensphilosophie, hochschätzen [...] Entsprechend diesem Missionsverständnis halten die Bischöfe die sogenannte 'Theologie der Anpassung' für völlig veraltet. Statt dessen machen sie sich die 'Theologie der Inkarnation' zu eigen. Die jungen Kirchen Afrikas und Madagaskars können sich dieser grundlegenden Forderung nicht entziehen.
Sie bejahen die Tatsache eines theologischen Pluralismus innerhalb der Einheit unseres Glaubens."
Die Haltung Lefebvres zeigt sich dagegen darin, dass er sich gegen jegliche Art pluralistischer Tendenz und jegliche Art von Anpassung wehrt. Er ist der Ansicht, dass im Rahmen einer einheitlichen Glaubensauffassung missioniert werden müsse. Das Ziel der Mission ist seiner Meinung nach Dienst an der institutionellen Kirche.
Seine Haltung in missionarischer Absicht zeigt ein Missionsverständnis des 19. Jh.s, dessen Intention nicht nur in der Bekehrung der Nichtchristen liegt, sondern – wie L. Rütti in seiner Kritik des ekklesiozentrischen Missionsverständnisses zu verstehen gibt – im "Heimweh nach den guten alten Zeiten der 'Christenheit', die sie nach der Französischen Revolution in Europa vermissten, in Übersee aber wiederzubeleben hofften."
Die Missionspraxis entsprach dem Missionsverständnis. Die missionarische Tätigkeit zielte auf die Errichtung der Kirche als Heilsinstitution. Ziel dabei blieb die Kirche selbst, die es verstand, ihr Prestige und ihre sichtbare Pracht einzusetzen und dadurch ihren Einfluss auf menschliche und gesellschaftliche Verhältnisse zu verstärken.
Im Gegensatz dazu zeigt das heutige Missionsverständnis u.a. folgende Zielsetzung:
"Die christliche Sendung aufgrund der universalen Verheißung für die Welt zielt nicht primär auf die Erhaltung und Ausbreitung der Kirche, sondern auf die tatkräftige Verantwortung der Hoffnung inmitten der Welt und sucht darin und daraufhin Menschen zum Mithoffen und zur Mitarbeit zu gewinnen."
Er betont, dass es heute in der Kirche eine Menge von Problemen gebe, die nicht nur die Katholiken, nicht nur die Priester, sondern die ganze Welt berührten, denn es würden die Grundlagen der Kirche in Frage gestellt, der Kirche, die immer der ganzen Welt geholfen habe, menschlicher zu bleiben, weil sie christlicher blieb:
[...] So erwartet Lefebvre von seinen Seminaristen, "dass sie der Kirche helfen, dass sie die Kirche als ihre Mutter lieben. Der Priester ist für die Kirche da, er ist der Sohn, der geliebte Sohn der Kirche.""Was die Kirche berührt, berührt auch das Priestertum, und was das Priestertum berührt, das berührt die christliche Kultur."
1978 beginnt die Entwicklung in Zaitzkofen, im Landkreis Regensburg, das "zum neuen Zentrum der Lefebvre-Bewegung in der Bundesrepublik werden" soll. [...]
Im Brief (Nr. 15) an die Freunde und Wohltäter gibt Lefebvre bekannt, dass "das deutschsprachige Seminar von Weissbad nach Zaitzkofen in der BRD zwischen München und Regensburg verlegt worden ist: Weissbad wird den Berufungen dienen, die sich für das große Seminar vorbereiten."
(Josef Bisig FSSP – Gründer und Mitglied des Generalrats der Priesterbruderschaft St. Petrus, seit 2006 in Denton, Nebraska: "2010 bereiten sich ca. 60 Männer aus allen Teilen der Welt während eines siebenjährigen Studiums auf das Priesteramt vor. Gleichzeitig finden zahlreiche Schulungen zum Erlernen der Heiligen Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus statt.")
Diesem Geist des Zweiten Vatikanums und seinen Reformmaßnahmen gilt seine Kritik. Sie spielt an auf das jüngste Konzil, das ein allgemeines Konzil war. Dieses Konzil besitzt wie ein dogmatisches Konzil in Einheit mit dem Papst höchste Autorität in der Kirche. In seinen eingeleiteten und teilweise durchgeführten Reformen sieht Lefebvre die kritische Situation der nachkonziliaren Kirche darin, dass sich dieser Geist universal auf allen Gebieten des kirchlichen Lebens verhängnisvoll auswirke. Neben der "Zerstörung der Kirche" – als Schwerpunkt – nennt er das Priestertum, das Messopfer, die Sakramente, das religiöse Leben und die theologische Ausrichtung der Universitäten sowie die Priestererziehung und die Katechese.
Es ist festzustellen, dass die Anklage Lefebvres die zentrale Mitte christlichen Lebensvollzugs betrifft. [...]
Hier beklagt Lefebvre die Maßnahmen auf dem Gebiet des Glaubenslebens des Einzelnen. Auf der Seite der neuen Liturgie sieht er eine neue Theologie und gibt dagegen zu verstehen, dass der streng geordnete, von alters her überlieferte Kult der Kirche für ihn lebendiger Ausdruck seines Glaubens und Garant für dessen verbleibende Integrität ist.
Lefebvre beklagt den Wandel des Kultes, hinter dem er eine Veränderung der Tradition vermutet.
Der Wandel des Kultes ist gemäß seiner Aussage gleichbedeutend mit dem Wandel des Glaubens.
Mit dieser These der "lex orandi, lex credendi" zielt Lefebvre auf die gegenwärtigen Reformen der Kirche.
Tatsächlich empfängt der christliche Glaube seine Wahrheit aus einer Offenbarung, zu deren inneren und äußeren Merkmalen die Positivität, d.h. die göttliche Satzung und die historische Realität, gehören. Das, was biblisch geoffenbart und historisch realisiert wurde, kann aufgrund seiner Positivität und Einmaligkeit nur durch Überlieferung geschichtliche Dauer und weitergehende Wirkung erlangen. Diese Tatsache wird der Anschauung Lefebvres im Schreiben Papst Pauls VI. vom 11.10.1976 entgegengehalten, wo es heißt:
Für Lefebvre kommt der Tradition im Sinne der treuen Bewahrung, der unverfälschten Weitergabe und der andauernden Vergegenwärtigung des geschichtlichen Wortes Gottes im Christentum eine grundlegende Bedeutung zu."Tradition ist nicht eine erstarrte oder tote Gegebenheit, eine in gewissem Sinne statische Tatsache, die in einem bestimmten Augenblick der Geschichte das Leben des aktiven Organismus, den die Kirche, d.h. der Mystische Leib Christi, darstellt, blockieren würde."
Lefebvre behauptet, es gebe seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der Kirche ein grundlegendes neues Konzept hinsichtlich der Wahrheit, des Opfers, des Priestertums etc. und wünscht eine Klärung in dieser Richtung. Er ist der Meinung, das gläubige Volk beginne sich zu aktivieren und fange an zu begreifen, dass es hier nicht um Details, sondern um den Glauben des Volkes und um die Grundlagen der christlichen Zivilisation gehe, und führt aus:
[...] Anlässlich einer Pressekonferenz in Ecône am 15.9.1976 verstärkt er seine Position in der genannten Intention, indem er sich auf die Tradition Pius' V. bezieht:"Wenn es sich um unseren Glauben handelt, geht es um das ewige Leben. [...]
Ich akzeptiere alles, was sich im Konzil und in den Reformen in voller Übereinstimmung mit der Tradition befindet."
In seiner Verteidigung und Rechtfertigung verwendet Lefebvre weitere Ausdrücke wie "Kirche aller Zeiten" oder "Lehramt aller Zeiten"."Die Messe des heiligen Pius V. ist die Messe von zwanzig Jahrhunderten.
Sie ist die Messe aller Zeiten."
Tradition, oder genauer: Traditionen dienen ihrerseits jedoch der Botschaft des Heils zur Verwandlung der Welt. Wird aber eine bestimmte Tradition absolut gesetzt, so kann sie veränderten Situationen nicht mehr genügen. Hier werden Erklärungen des Konzils und des Papstes nach vorkonziliaren Gewohnheiten und Gebräuchen beurteilt und verurteilt. Lefebvre kommt so zu Aussagen wie der folgenden:
"Für mich ist die Tradition das seit zwanzig Jahrhunderten unfehlbare Lehramt der Kirche"
Das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus versucht die Lehre der "dogmatischen Konstitution über die Kirche" auf das Leben der Kirche anzuwenden.
In diesem Dekret sieht Lefebvre einen Grundsatz der FranzRev, die "Gleichheit", aufgenommen:
Hiermit drückt er aus, die falsche Idee der Gleichheit durch die Forderung des Konzils bezüglich der Kollegialität der Bischöfe und hinsichtlich des Zusammenwirkens aller Glieder des Volkes sei offenkundig geworden. Er meint:"Die Kollegialität, welche dem Ausdruck der 'Gleichheit' in der FranzRev entspricht, beruht auf derselben Theologie."
[...] Ferner sagt das Konzil über die Autorität der Bischöfe:"Die Kollegialität bedeutet die Vernichtung der persönlichen Autorität, die Demokratie ist die Zerstörung der Autorität Gottes, der Autorität des Papstes und der Autorität der Bischöfe. Die Kollegialität entspricht der Gleichheit der Revolution von 1789."
Die Bischöfe sind die Gesandte Christi. Sie leiten die einzelnen Teilkirchen. Nach Lumen Gentium 27 ist die Gewalt der Bischöfe unmittelbar auf Christus zurückführbar. Ihr Vollzug wird daher von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt. Die Bischofssynoden ihrerseits dienen dazu, dass der Papst Vertreter der Bischöfe anhören kann. Sie richten sich nicht gegen die persönliche Autorität der einzelnen Bischöfe, sondern dienen dazu, in den Fragen der Zeit die gemeinsame Haltung herauszuarbeiten und zu bestimmen."Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur Autorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen."
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