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November 20, 2010

Institutionelle Kultur mit gemeinsamem Nenner



Daniel Goldhagen 2003: Die Katholische Kirche und der Holocaust

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S. 176-191) Der Antisemitismus – eine Geistlichkeit/Kultur des Hasses

Im Januar 1945 forderte der dt. Bischof Lorenz Jaeger (nicht zu verwechseln mit Lorenz Jäger) die Katholiken auf, sich weiterhin am Krieg Dtl.s gegen Demokratie und Kommunismus – "Liberalismus und Individualismus auf der einen, der Kollektivismus auf der anderen Seite" – zu beteiligen, und beides lasteten die katholische Kirche und die dt. katho. Kirche gern den Juden an. (Der Erzbischof wollte offenbar noch 1945 zu verstehen geben, dass der Nationalsozialismus der Demokratie vorzuziehen sei.)
Bischof Galen gestand in seiner ersten öffentlichen Äußerung nach Beginn der alliierten Besetzung zu Ostern 1945, dass sein Herz beim "Anblick der durchziehenden Truppen unserer Kriegsgegner" geblutet habe. So verständlich es ist, dass es einen traurig stimmt zu sehen, wie das eigene Land besetzt wird, war dies doch der "Gegner", den in rechtlichen Kategorien denkende Deutsche korrekt als Befreier Dtl.s vom Nationalsozialismus betrachteten.
Und Bischof Galen sagte eindeutig nicht, dass sein Herz wegen der ermordeten Juden geblutet habe.
Lewy kommt zu dem Schluss: Mit Ausnahme von Bischof Preysing "riefen alle deutschen Bischöfe die Gläubigen bis zur letzten Minute des Krieges zur Erfüllung ihrer Vaterlandspflicht auf. Wir dürfen annehmen, dass diese Haltung auf einem aufrichtigen Gefühl der Treue gegenüber ihrem Lande beruhte. Dass die Nationalsozialisten über Dtl. herrschten, die Kirche bedrängten und verfolgten und sich unaussprechlicher anderer Verbrechen schuldig gemacht hatten, änderte daran nichts." Er hätte hinzufügen können, dass es nichts daran änderte, weil die Bischöfe entweder die imperialistischen und apokalyptischen Ziele der Nationalsozialisten teilten oder weil die Verbrechen ihrer Landsleute einschließlich der Massenvernichtung der Juden in ihren Augen keine so schwerwiegenden Vergehen waren, dass sie es gerechtfertigt hätten, genau dem Krieg, der die Verbrechen ermöglichte, und dem Regime, das sie beging, ihre Hilfe und Unterstützung zu entziehen. Alles deutet darauf hin, dass es den dt. Bischöfen leicht fiel zu entscheiden, was ihnen wichtiger war: der Sieg eines Regimes, das von der übrigen Welt als zutiefst verbrecherisch betrachtet wurde, oder die Beendigung des Massenmords an den Juden.

[...] Der Antisemitismus – und dies gilt auch für andere Vorurteile – ist eine grundlose Ablehnung oder Feindseligkeit, die an sich schon eine ungerechte Diskriminierung darstellt.
Aus kirchlicher Sicht stellt er einen Verstoß gegen das 8. Gebot dar: "Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten", das nach kirchlicher Lehre in ein Verbot mündet: "Die Rücksicht auf den guten Ruf eines Menschen verbietet jede Haltung und jedes Wort, die ihn ungerechterweise schädigen könnten." Wenn Juden in einer zutiefst antisemitischen Kultur leben, leben sie in einer Kultur der Feindseligkeit, einer Kultur, die nicht nur unvermeidlich weitere ungerechte diskriminierende Akte nach sich zieht, sondern an sich schon, per definitionem, schädlich und diskriminierend ist. [...]

"Wer durch wahrheitswidrige Aussagen dem guten Ruf anderer schadet und zu Fehlurteilen über sie Anlass gibt," macht sich, wie die Kirche lehrt, der "Verleumdung" schuldig. "Verleumdung", heißt es weiter, "zerstört den guten Ruf und die Ehre des Nächsten. Nun ist aber die Ehre das gesellschaftliche Zeugnis für die Würde eines Menschen, und jeder besitzt das natürliche Recht auf die Ehre seines Namens, auf seinen guten Ruf und auf Achtung. [...]
Verleumdung verletzt somit die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe."

(Katechismus §§ 2477, 2479, ferner 2. Mose 20:16. Im Judentum ist das Verbot, falsches Zeugnis abzulegen, das 9. Gebot. Für eine Verleumdung genügt es nach Ansicht der Kirche, dass die Äußerung, mit der jemand den guten Ruf eines anderen zerstört, unwahr ist – er muss nicht wissen, dass sie unwahr ist.
Die Kirche unterscheidet zwischen der Verleumdung und der Lüge, von der es heißt:
"Die Lüge ist der unmittelbarste Verstoß gegen die Wahrheit. Lügen heißt gegen die Wahrheit reden oder handeln, um jemanden zu täuschen," sie ist also eine Unwahrheit, die dem Sprecher bewusst ist.)
Der Antisemitismus, eine Kultur des Hasses, kursierte in den 30er und 40er Jahren des 20. Jh.s in der europäischen Politik und Gesellschaft, und er machte sich in den Fluren der Kirche breit, vom Petersdom bis hinab zur einfachsten Dorfkirche. Aus der christlichen Bibel und den kirchlichen Lehren abgeleitet, gehörte er wie selbstverständlich zum Weltbild der europäischen Katholiken. In vielen Ländern war es besonders für katholische Geistliche so gut wie unmöglich, nicht dem Antisemitismus ausgesetzt zu sein. Den Geistlichen war bewusst, dass er in der politischen Kultur weiter Teile Europas eine Schlüsselrolle spielte, dass er von Politikern, weltlichen wie kirchlichen, verbreitet wurde. [...]
Der Antisemitismus war in jener Zeit der gemeinsame Nenner der institutionellen Kultur der katholischen Kirche – damals war es in der Tat schwer, katholischer Priester und nicht zugleich Antisemit zu sein [...]


Die höchste sittliche Macht auf Erden und der Holocaust


Dem moralischen Tadel, den viele katholische Bischöfe und Priester sich durch die Unterstützung von Tyrannei und Antisemitismus zuzogen, entspricht politischer Tadel für ihr politisches Wirken zu Gunsten der Tyrannei und der Verbreitung von Antisemitismus. Dabei trägt niemand eine größere Bürde als die beiden Päpste Pius XI. und Pius XII. (als vatikanischer Staatssekretär), denn sie begrüßten die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die die Zerstörung der von ihnen durchweg verachteten demokratischen Institutionen einleitete.
Ihr Konkordat verlieh dem von Hitler geführten NS-Regime schon früh politische Legitimität.
Damit wurden sie und die Kirche, für die sie sprachen, in den 30er Jahren (bis einigen dann die Augen aufgingen) zu einer wichtigen Stütze des Regimes. 1937 prahlte Kardinal Faulhaber in einer Predigt, dass die Kirche dem Nationalsozialismus mit ihrem Konkordat sehr geholfen habe:

"Zu einer Zeit, da die Oberhäupter der Weltreiche in kühler Reserve und mehr oder minder voll Misstrauen dem neuen Deutschen Reich gegenüberstehen, hat die katholische Kirche, die höchste sittliche Macht auf Erden, mit dem Konkordat der neuen deutschen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen. Für das Ansehen der neuen Regierung im Ausland war das eine Tat von unschätzbarer Tragweite."

Den Katholiken beizubringen, dass alle Juden schuldig seien, Jesus gekreuzigt zu haben – wohl der verheerendste antisemitische Vorwurf, der jemals geäußert wurde – war offizielle Politik der katholischen Kirche. Antisemitischer Hass und Feindseligkeit waren in der Lehre, der Theologie und der Liturgie der katholischen Kirche fest verankert und wurden alljährlich, allwöchentlich und täglich in größeren und kleineren Dosen an Katholiken nicht nur in Polen, sondern in ganz Europa weitergegeben, wobei die heißeste Phase der antisemitischen Hetze natürlich in die Karwoche fiel, die Woche vor Ostern, in der sich der kirchliche Zorn offen gegen die in der Liturgie als "heimtückisch" bezeichneten Juden richtete, weil sie angeblich Jesus getötet hatten.
(Berühmtestes und theatralischstes Beispiel dafür waren die Passionsspiele von Oberammergau. Zum anhaltenden Antisemitismus in diesen Spielen siehe Leonard Swidler, "The Passion of the Jew Jesus. Recommended Changes in the Oberammergau Passion Play After 1984", 1999 hgg.v.d. Anti-Defamation League of B'nai Brith.)


"Wisst ihr, wer der Teufel ist?"


Die Nationalsozialisten fanden durch die Lehren der Kirche den Boden so fruchtbar bereitet vor, dass sie sich zwanglos und gewohnheitsmäßig christlicher antisemitischer Motive bedienten, um ihren eigenen Antisemitismus politisch wie kulturell leichter verbreiten und verstärken zu können.
Julius Streicher z.B. ("Seit März 1933 leitete er das 'Zentralkomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze', das die Boykottmaßnahmen gegen jüdische Unternehmen, Rechtsanwälte und Ärzte vom 1. April 1933 koordinierte.") aktivierte 1936 in einer Weihnachtsansprache vor zweitausend Kindern in Nürnberg mühelos die christlichen Kenntnisse, die die Kinder schon hatten:

"Er fragt seine atemlos lauschenden Zuhörer: 'Wisst ihr, wer der Teufel ist?'

'Der Jud, der Jud,' so schallte es ihm aus tausend Kinderkehlen entgegen."
(IMG, Bd. 5, Dokument M-44, S. 128.)

Solche katechetischen Rituale zwischen NS-Lehrern und ihren bereits gut geschulten katholischen (und protestantischen) Schülern bildeten einen steten Strom. Ergänzt wurden sie durch Schilder, die in Großstädten, am Ortseingang von Kleinstädten und sogar auf dem flachen Land zu finden waren und die Juden mit dem Teufel der Christen in Verbindung brachten. Ein Jahr zuvor zog Streicher ein bei den Nationalsozialisten sehr beliebtes und häufig benutztes christliches Bild heran, als er erklärte: "Ein einziges Volk blieb in diesem furchtbaren Krieg Sieger, ein Volk, von dem Christus sagte, sein Vater sei der Teufel." Streicher kannte wie Millionen und Abermillionen in Deutschland und ganz Europa seine christliche Bibel und erinnerte hier an die berühmte Anschuldigung aus dem Johannes-Evangelium, die Juden wollten Jesus töten. Johannes lässt Jesus sagen:

"Ihr habt den Teufel zum Vater, und ihr wollt das tun, wonach es euren Vater verlangt. Er war ein Mörder von Anfang an, und er steht nicht in der Wahrheit. Denn es ist keine Wahrheit in ihm."

Die Juden mit dem Teufel der christlichen Vorstellungswelt gleichzusetzen war eines der gängigen Klischees von Streichers Wochenblatt Der Stürmer. Auf seinem Höhepunkt hatte Der Stürmer eine Auflage von 500.000 Exemplaren. Seine Leserschar aber war weit größer, weil er überall in Dtl. in Schaukästen ausgehängt wurde, sei es an Straßenbahnhaltestellen, Straßenkreuzungen, in Betriebskantinen oder an anderen Stellen, wo Menschen zusammenkamen. Streicher war einer der besessensten Antisemiten, den die Nationalsozialisten zu bieten hatten. Dank der Schulung durch Katholiken wie Protestanten war seine Anhängerschaft in Nürnberg und in ganz Dtl. in diesem wie in vielen weiteren antisemitischen Punkten mit ihm einig.

[...] wäre es absurd zu behaupten, die Nationalsozialisten hätten ihren Antisemitismus aus dem Nichts erdacht, oder ihre Millionen und Abermillionen zählenden eifrigen antisemitischen Anhänger hätten sich auf Gedeih und Verderb den entmenschlichenden NS-Gewaltmaßnahmen, die sich aus diesem unsinnigen, gespenstischen Vorurteil ergaben, verschrieben, wenn die katholische Kirche nicht zuvor die deutsche und europäische Kultur weitgehend mit Antisemitismus vergiftet hätte.
Kardinal Edward Cassidy, der Vorsitzende der Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden am Heiligen Stuhl, wusste, wovon er sprach, als er vor führenden jüdischen Persönlichkeiten 1998 in Washington mit dem Finger auf die katholische Kirche zeigte, indem er erklärte,

"das Ghetto, 1555 durch eine päpstliche Bulle ins Leben gerufen, wurde in NS-Deutschland zum Vorzimmer der Ausrottung."

Ebenso absurd wäre es zu meinen, die während der NS-Zeit fortgesetzte Verbreitung des Antisemitismus durch die Kirche habe nicht quer durch Europa die allgemeine Zustimmung zur eliminatorischen Verfolgung der Juden befördert. Hätten die beiden Päpste, die Kirchenführer und der niedere Klerus ihre Kanzeln und ihre zahlreichen Zeitungen und Diözesanblätter mit ihrem riesigen, treuen Leserkreis in Dtl. und Europa dazu genutzt, den Antisemitismus zu einem bösartigen Irrtum zu erklären und die Verfolgung der Juden als ein schweres Verbrechen und eine Sünde anzuprangern – die politische Geschichte Europas wäre anders verlaufen, und die Juden hätte ein weit besseres Schicksal ereilt.
Doch dazu kam es nicht. Pius XI. und Pius XII. waren Antisemiten. Sie waren anfällig für Hirngespinste und Verleumdungen über Juden, wie sie fast von den Nationalsozialisten hätten stammen können. Pius XI. lieferte dafür mit seinen Berichten aus Polen 1918 den Beweis, Pius XII. mit seinem Brief über den kommunistischen Aufstand 1919 in München. Die Billigung und Duldung, die sie Civiltà cattolica und anderen, von ihnen beaufsichtigten kirchlichen Publikationen mit ihren aufwieglerischen antisemitischen Schmähungen und Anschuldigungen gewährten, ließ auch in der NS-Zeit nicht nach.
Katholische Bischöfe und Priester in Dtl. und überall in Europa waren ebenfalls Antisemiten. Selbst die unterschlagene Enzyklika Pius' XI, die gegen die außergewöhnlich brutale Verfolgung der Juden durch die Deutschen Einspruch erhob, strotzt vor furchteinflößendem Antisemitismus. Die beiden Päpste, ihre Bischöfe und Priester hatten sich das Bild zu eigen gemacht, das ihre antisemitische Kirche von den Juden hatte, mitsamt der Feindseligkeit und der abschätzigen Redeweise über Juden.


Eine Drei-Falten-Synchronität – A Trinity Synchronicity


Die Wahrscheinlichkeit, dass die Päpste und der Klerus gleichermaßen zum Nachteil der Juden handeln würden, war besonders groß, weil sie, ähnlich der NS-Führung und vielen Deutschen,
1. den Kommunismus mit Juden gleichsetzten,
2. den Kommunismus als ihren größten Feind betrachteten und
3. den apokalyptischen Krieg der Deutschen gegen den Kommunismus in Verbindung mit einem Vernichtungskrieg gegen die Juden als einen Kampf gegen ihren gemeinsamen Widersacher, den jüdischen Bolschewismus, auffassten.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass eine beträchtliche Zahl von Geistlichen den Massenmord selbst vielleicht abgelehnt hat. Diese verhängnisvolle Gleichsetzung der Juden mit dem Bolschewismus war praktisch die offizielle Position jener nationalen Kirche, der politisch das größte Gewicht zukam und die, vielleicht mit Ausnahme der italienischen Kirche, Pius XII. am meisten am Herzen lag: der deutschen Kirche.
Die Ansichten der katholischen Geistlichen in Dtl. über die Natur der zeitgenössischen Juden hatten mit denen der Nationalsozialisten vieles gemeinsam. Die Geistlichen sahen in den Juden ein schädliches und übelwollendes Volk, die Quelle vieler der Übel, von denen Dtl. vor Hitlers Machtübernahme heimgesucht worden war.
Juden waren ihrer Ansicht nach die Urheber und Anstifter jener Entwicklungen in der modernen Welt, die ihrer Meinung nach dem Katholizismus, ja sogar dem Wohl von Gesellschaft und Religion abträglich waren. Die Juden propagierten angeblich sittliche Zügellosigkeit, predigten Unglauben, verhöhnten geheiligte Traditionen, saugten die Christen wirtschaftlich aus, zerstörten die Solidarität von Nationen und Gemeinden und förderten die Dekadenz, die moderne Kunst eingeschlossen.


Asiatischer Staatsdespotismus und dt. Ultramontanismus


Am destruktivsten von all dem vermeintlich bösartigen Treiben der Juden wirkte sich deren angeblich führende Rolle in der bolschewistischen Bewegung aus. Die Juden wurden als die ausschlaggebende Kraft betrachtet, die hinter dem Bolschewismus steckte, die verborgenen "Drahtzieher". Die Ansicht, die Juden seien die Urheber und Triebfeder des Bolschewismus, war damals der stärkste Antrieb für die Feindseligkeit des katho. Klerus gegen die Juden und für seine Unterstützung der NS-Maßnahmen gegen sie, die erst vor offenem Mord Halt machte.
Sie sahen in den Juden den Spiritus Rector der gefährlichsten politischen Bewegung, mit der es die katholische Kirche in ihrer ganzen Geschichte je zu tun hatte.
Der Bolschewismus galt als eine "satanische" Kraft, die darauf aus war, nicht nur die ganze Christenheit, sondern die europäische Zivilisation als solche zu vernichten.
Das autoritative "Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen" der dt. katho. Kirche, 1937 verfasst, definierte den Bolschewismus als "Geisteshaltung [...] im Dienst [...] eines asiatischen Staatsdespotismus". Wer steckte dahinter? "Praktisch", erklärten die dt. Bischöfe in ihrem Handbuch, von ihnen gedacht als Leitfaden zur Aufklärung "in den eigenen von Verwirrung bedrohten Reihen [der Kirche]," stand der Bolschewismus "im Dienst einer Gruppe jüdisch geleiteter Terroristen". Den Zusammenstoß mit dem Bolschewismus stellte die dt. Kirche geradezu apokalyptisch dar. Der Kampf gegen den Bolschewismus war ein moderner Kreuzzug. Angeblich hauptsächlich von Juden angeführt, bedrohte der Bolschewismus alle Völker der Welt.
Man war Zeuge eines titanischen Ringens um die Zukunft der Menschheit. Zustimmend zitiert das Handbuch Hitler, der den Zusammenstoß mit dem Bolschewismus zum Kampf zwischen europäischer Kultur und asiatischer Unkultur erklärte. Gegen jene, die diese satanische Bewegung anführten, förderten und trugen, waren auf jeden Fall die härtesten Maßnahmen zulässig.

In den Dokumenten der dt. katho. Kirche aus der NS-Zeit findet man kaum eine Meinung, die von diesen herrschenden Ansichten über die Schädlichkeit und Schuld der Juden abwiche, nicht einmal in ihren bekannt gewordenen internen vertraulichen Diskussionen und Mitteilungen. [...] selten treffen wir in den Reihen des Klerus auf die Einsicht, dass das ganze System von Ansichten über die Juden ein Gespinst aus bösartigen Täuschungen sei. Selten begegnen wir einer Meinung wie der von Sebastian Haffner, einem kompromisslosen Gegner der Nationalsozialisten, der 1939 schrieb, die Behauptungen der Nationalsozialisten über die Juden seien "so unverblümter Nonsens, dass es eine Selbsterniedrigung bedeutet, sie auch nur bekämpfend zu diskutieren."
Was ein nüchterner, klarsichtiger, nichtantisemitischer Deutscher als ein Gewebe aus verächtlichem Unsinn durchschaute, galt katholischen Geistlichen und Theologen, gelehrten Repräsentanten der christlichen Religion, als axiomatische Wahrheit.

Die Auffassung der dt. katho. Kirche von den Juden wich nur in einer wichtigen Hinsicht von jener der Nationalsozialisten ab, nämlich in der Ansicht darüber, woher der angebliche jüdische Hang, Böses zu tun, rührt. Laut Rassenlehre der Nationalsozialisten war das Böse bei den Juden ein Teil ihrer körperlichen Veranlagung, es entsprang einem angeborenen Trieb, vergleichbar dem, der Raubtiere und Mikroorganismen dazu bringt, auf Beute auszugehen und zu zerstören. Daher waren die Juden unverbesserlich. Man musste sie auf ewig einsperren oder töten.
Einen solch kruden Rassismus konnte die katholische Kirche auf Grund ihrer theologischen Doktrinen formal nicht billigen. Sie hielt an ihrer überkommenen Lehre fest, dass das Böse bei den Juden in ihrer vermeintlich obsolet gewordenen, schädlichen Religion, ihrer willentlichen Ablehnung Jesu wurzelte. Somit waren die Juden, zumindest grundsätzlich, zu erlösen. Man konnte sie durch Bekehrung bessern: das Wasser der Taufe würde sie reinwaschen.


Ein unentwirrbares ideologisches Knäuel


Obwohl der NS-Rassismus mit dem katholischen Glauben unvereinbar war, lehnte die deutsche Kirche ihn nicht rundheraus ab, denn ihre Geistlichen, die Bischöfe eingeschlossen, waren nicht frei von dem in ihrer Gesellschaft herrschenden rassistischen Denken. Daher äußerte sich die dt. Kirche in ihren amtlichen Erklärungen nicht eindeutig über den Rassismus, während sie an bestimmten Aspekten Positives fand, verwarf sie andere Elemente, die in direktem Widerspruch zum Wesen ihres Bekenntnisses standen.
Die dt. Bischöfe bekräftigten, dass die Rassen, aus denen sich die Menschheit zusammensetzt, mit unterschiedlichen Vorzügen und Eigenschaften ausgestattet seien, unausgesprochen verwarfen sie dagegen die NS-Lehre, der zufolge die Rassen eine Rangordnung bilden, mit höherwertigen Rassen an der Spitze und solchen auf der untersten Stufe, die dermaßen primitiv, ohne jeden moralischen oder geistigen Wert sind, dass man sie zu Untermenschen erklären kann. Die dt. katho. Kirche hielt an dem Grundsatz des Katholizismus fest, dass vor Gott alle Rassen gleich und zur Erlösung fähig sind.
Die Juden nahm die deutsche Kirche allerdings davon aus, weil die Ansichten ihrer Bischöfe über das konkrete Böse und die Heimtücke der Juden sich vor diese abstrakten Erwägungen zur moralischen Gleichheit aller Menschen schoben. Sie lehnte die NS-Rassengesetze, insbesondere die Nürnberger Gesetze, nicht ab, sondern bejahte sie ausdrücklich.
Die dt. Bischöfe erklärten die Erhaltung der rassischen Eigenart zu etwas Gutem.

"Weil jedes Volk," wie das maßgebliche Handbuch erklärt, "für seinen glücklichen Bestand die Verantwortung selbst trägt und die Hereinnahme vollkommen fremden Blutes für ein geschichtlich bewährtes Volkstum immer ein Wagnis bedeutet, so darf keinem Volk das Recht abgesprochen werden, seinen bisherigen Rassenstand ungestört zu bewahren und zu diesem Zweck Sicherungen anzubringen. Die christliche Religion verlangt nur, dass die angewandten Mittel nicht gegen die sittlichen Vorschriften und die natürliche Gerechtigkeit verstoßen [...]
Die Rassengesetzgebung der Gegenwart," die Nürnberger Gesetze, "kann daher nur darin ihren Sinn haben, dass die Heimrassigkeit und die Heimkultur vor Entartung bewahrt und gepflegt werden sollen."

Hier übernahmen die dt. Bischöfe einen der Schlüsselbegriffe des rassistischen Vokabulars der Nationalsozialisten, die "Entartung", mit dem die Nationalsozialisten alles brandmarkten und diffamierten, was sie vernichten und ausrotten wollten.
Die Ansicht der dt. Kirche, die "Heimrassigkeit" der Deutschen, ihr "Blut", müssten vor der Entartung bewahrt werden, sowie ihre Auffassungen von der Rolle der Juden und der bolschewistischen Gefahr bilden ein unentwirrbares ideologisches Knäuel.

Die Bischöfe warnten:

"Kein Volk kommt um diese Auseinandersetzung zwischen seiner völkischen Überlieferung und dem von Volksfremden, meist jüdischen Revolutionshetzern angeführten Marxismus herum."

Die Bischöfe erklärten nachdrücklich:

"Hier sei nur noch hinzugefügt, dass vom Christentum her eine wissenschaftlich begründete Rassenforschung und Rassenpflege nur zu begrüßen ist."

[...] Indem der katholische Klerus die gewöhnlichen Deutschen, Franzosen, Polen und andere lehrte und ermahnte, sich vor der vermeintlichen jüdischen Gefahr zu hüten, und dadurch Feindseligkeit gegen Juden schürte, lehrte er sie zugleich, die Juden zu diskriminieren: Juden nicht zu trauen, nicht ungezwungen oder freundschaftlich mit Juden zu verkehren und sie so weit wie möglich von sich fern zu halten.
Menschen zu meiden, sie in seinen privaten Beziehungen zu diskriminieren ist kein Verbrechen, aber auf jeden Fall eine schädliche Handlungsweise. Geschieht das systematisch, wie es in Deutschland und anderswo der Fall war, bekommt es einen politischen Charakter, weil es schädliche gesellschaftliche und politische Folgen hat.